Transparenz beim Pestizideinsatz

Mehr Regeln für den Einsatz von Pestiziden: Mehr Artenschutz oder mehr Bürokratie?

Vorstoß für mehr Transparenz beim Pestizideinsatz

Agrarlobby will EU-Datenbank und höhere Reduktionsziele verhindern

EU-weit soll es eine Datenbank geben, in der jeder Pestizideinsatz in der Landwirtschaft und in anderen professionellen Anwendungsbereichen eingetragen und begründet wird. All jene, die sogenannte Pflanzenschutzmittel beruflich verwenden, wären dazu verpflichtet, entsprechende Daten an eine EU-Behörde zu übermitteln. Diese Idee entstammt dem internen Entwurf für eine EU-Verordnung, der der taz vorliegt.

Die EU-Kommission schlägt in dem Verordnungsentwurf zudem vor, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet werden sollen, ihren Pestizideinsatz bis 2030 um die Hälfte zu reduzieren. Maßstab hierfür ist die von 2015 bis 2017 durchschnittlich eingesetzte Menge. Weiterhin sollen die EU-Länder artspezifisch regeln, wann bei den wichtigsten Kulturpflanzen Chemikalien gebraucht werden dürfen. Vermeidbarer Gebrauch der umweltschädlichen Mittel soll so verboten werden.

Dass die Kommission eine Verordnung einbringt und keine Richtlinie, liegt daran, dass Verordnungen direkt verbindlich für die EU-Mitgliedstaaten gelten. Das heißt, dieses EU-Recht müsste umgesetzt werden und stünde über nationalen Pestizidvorschriften. Aber noch hat die EU nichts beschlossen. Am 23. März 2022 gibt die Kommission den Vorschlag offiziell an das EU-Parlament und den -Rat zur Diskussion. Wie zu erwarten stellt sich die Agrarlobby schon mal vorsorglich auf die Hinterbeine: „Diese Vorschläge der EU sind völlig überzogen und helfen vor allem weder der Biodiversität noch der Pflanzengesundheit“, sagt Bernhard Krüsken, Generalsekretär des DBV, gegenüber der taz.

Bereits zuvor wollten Kommission und Parlament im Rahmen ihrer Farm-to-Fork-Strategie dafür sorgen, dass die Mitgliedsländer jährlich ihren Pestizidverbrauch melden. Und mehr noch – die Daten sollten nicht stichprobenartig erhoben werden, sondern bei den Bauern direkt. Diese müssen den Verbrauch nämlich ohnehin dokumentieren. Ziel war es, mit den genaueren Daten die Reduktionsziele effektiv überwachen zu können. Aufgrund der Gegenwehr von zehn Staaten, zu denen Deutschland zählte, lehnte der Rat die Idee als zu aufwändig ab, so berichten Umweltverbände. Vorsichtiger Optimismus kann aufkommen, denn der neue Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir vertritt hier die gegenteilige Position – pro mehr Transparenz.

In Deutschland fordert etwa der NABU, dass einheitlich geregelt wird, wie die Einsatzdaten von Pflanzenschutzmitteln zu veröffentlichen sind. In den meisten Bächen in Deutschland sind die Pestizidbelastungen viel zu hoch, so eine Studie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung aus 2021. Grenzwerte für Pestizide werden in 81 Prozent der untersuchten Kleingewässer nicht eingehalten und teilweise hundertfach überschritten. Eine direkte Verbindung zum Pestizideinsatz in der Landwirtschaft lässt sich bisher nur nachweisen, indem die Daten an den betroffenen Messstellen beantragt werden. Solche Anträge hat der NABU in Zusammenhang mit der genannten Studie des Helmholtz-Zentrums bundesweit gestellt. Etwa für Mitte 2022 erwarten sie finale Ergebnisse.

Während der berufliche Einsatz – in den meisten Fällen die landwirtschaftliche Verwendung – von Pflanzenschutzmitteln verpflichtend dokumentiert werden muss, sind die regionalen Behörden nicht dazu angehalten, die Daten an eine zentrale Bundesbehörde weiterzugeben. Eine bundesweite Erfassung, Auswertung und Offenlegung ist nicht vorgeschrieben. Diese Intransparenz ist hochproblematisch, da die notwendige Reduzierung des Pestizideinsatzes nur mithilfe einer umfassenden, leicht zugänglichen Datengrundlage geplant und überprüft werden kann.

Eine solche Stelle könnte ihr Wissen auch ohne großen Aufwand an die EU weitergeben, womit dieses Argument vom Tisch wäre. Aber egal, ob sie zuerst auf EU- oder auf nationaler Ebene festgelegt wird, mehr Transparenz beim Chemikalieneinsatz in der Umwelt muss sein. Die schädlichen Auswirkungen auf Pflanzen, Tiere und Gewässer sind bekannt und sie sind gravierend.

Wichtige Informationen zum Thema Pestizide und ihren Risiken für die Umwelt finden Sie in den AGA-Beiträgen Gefahr für das Ökosystem und Pestizide zerstören Artenvielfalt. (bf)

 

Quellen und weiterführende Links:

https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/pestizide/30609.html

https://taz.de/EU-Kommission-will-weniger-Pestizide/!5834460/

https://taz.de/EU-Rat-gegen-mehr-Transparenz/!5829748/

http://www.umweltinstitut.org/aktuelle-meldungen/meldungen/2021/pestizide/pestizideinsaetze-bringt-die-eu-endlich-licht-ins-dunkel/

Mitmach-Aktion: https://www.umweltinstitut.org/mitmach-aktionen/her-mit-den-daten-pestizideinsaetze-offenlegen/

https://www.wwf.de/2022/februar/schluss-mit-dem-datenblindflug-beim-pestizideinsatz-in-der-landwirtschaft

https://www.zeit.de/wirtschaft/2022-02/landwirtschaft-pestizide-eu-transparenz-umweltschutz/