Fleischsteuer: Die wahren Kosten des Fleischkonsums

„Wenn ein Preis die hohen Kosten für die Gesellschaft nicht widerspiegelt, ist er generell zu billig.“ (Foto: Deutsches Tierschutzbüro e.V.)

Wissenschaftler berechnen den ökologischen Preis für Fleisch und fordern die Einführung einer Fleischsteuer, um die Belastung unseres Planeten und gesundheitsschädigende Folgen durch Viehzucht einzudämmen.

Schon seit vielen Jahren steht das Thema Billigfleisch auf der Agenda der Bundesregierung. Wohl wissend, dass vor der Bundestagswahl nichts entschieden würde, versprach die ehemalige Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU), die Umsetzung einer Fleischsteuer prüfen zu lassen. So etwas kann schon mal dauern. Der neue Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) will nun das Thema wieder in den Fokus rücken. Hochwertige und bezahlbare Lebensmittel, ausreichende Einkommen für die Landwirte und eine artgerechte Tierhaltung – diese Ziele will er „zusammenbringen“. Die Erkenntnisse einer neuen Studie kommen genau im richtigen Augenblick, um seine Pläne zu untermauern.

Fleisch ist zu billig, sagen die Forscherinnen und Forscher der Technischen Universität Berlin, des Potsdam-Instituts für Klimaforschung (PIK) und der Universität Oxford. „Wenn ein Preis die hohen Kosten für die Gesellschaft nicht widerspiegelt, sei er generell zu billig.“ Der Umweltökonom Linus Mattauch (PIK) betont: „ Aus ökonomischer Perspektive ist es sinnvoll zu fordern, dass der Preis von Fleischprodukten auch die inbegriffenen Umweltschäden widerspiegelt.“

Rund 13 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen sind auf Viehwirtschaft zurückzuführen. Daran beteiligt sind große Mengen an klimaschädlichem Methangas, das bei der Verdauung von Rindern und anderen Wiederkäuern freigesetzt wird. Auch die Rodung wertvoller Wälder, um sie als Weideland oder für den Anbau von Tierfutter nutzbar zu machen, schadet direkt dem Klima. Darüber hinaus kommt es zu einer erheblichen Versäuerung der Böden und Gewässer durch Gülle und Dünger und einer massiven Bedrohung der Artenvielfalt. Die aktuellen Fleischpreise bilden diese Umweltschäden gegenwärtig nicht ab.

Andere Studien lieferten unlängst Daten, wonach bei gleichbleibendem Fleischkonsum der westlichen Länder die globalen Klimaziele nicht erreicht und lebenswichtiger Ökosysteme nicht erhalten werden können. Damit Deutschland die im Klimaschutzgesetz vorgegebene Klimaneutralität bis 2045 schafft, ist es zwingend nötig, den Ausstoß von Treibhausgasen in der Landwirtschaft deutlich zu reduzieren. Dazu müssen der Fleischkonsum und die Zahl der Tiere in den kommenden Jahren drastisch reduziert werden. Ohne ein klares Preissignal sei dieser Rückgang nur schwer vorstellbar, so Linus Mattauch. Zumindest in den reichen Ländern müssen weniger klimaschädliche Lebensmittel wie Fleisch und Milch konsumiert werden, so die Expertenmeinung. Für diesen Wandel brauche es eine Mischung verschiedener Maßnahmen. Ein höherer Preis schaffe Anreize, damit Konsumenten ihre Essgewohnheiten verändern. Allerdings brauche es genügend gute und geschmackvolle  Alternativen, wenn der Preis für Fleisch und andere tierische Produkte steigt.

Forscherinnen und Forscher um Franziska Funke von der TU Berlin, Linus Mattauch (PIK) sowie Kollegen der Universität Oxford haben berechnet, welcher Preisaufschlag pro Kilogramm Fleisch in den Industrieländern erforderlich wäre, wenn Verbraucher die Kosten für den Ausgleich der Klima- und Umweltbilanz an der Ladenkasse mitbezahlen müssten: Bei Rindfleisch läge der Preisaufschlag bei 35 bis 56 Prozent (je nach Produktionsablauf), Lamm- und Schweinefleisch wären 19 Prozent teurer und Geflügel 25 Prozent.

Allerdings sind in diesen Aufschlägen die Schäden durch den Verlust der Artenvielfalt nicht einbezogen. Auch die Belastung des Gesundheitssystems durch negative Gesundheitsfolgen für den Menschen und die Auswirkungen auf das Tierwohl sind dabei nicht berücksichtigt. Die sozialen Kosten wären also um ein Vielfaches höher und Fleisch wäre damit nahezu unbezahlbar.

Nach Ansicht der Forschenden sei eine Fleischsteuer in Form einer Konsumsteuer ein geeignetes Instrument, um Ernährung mit den Zielen für Umwelt- und Klimaschutz in Einklang zu bringen. Ein Steueraufschlag auf Endprodukte soll den dringend erforderlichen Umbau der Landwirtschaft mitfinanzieren. Diese Steuereinnahmen könnten zweckbezogen ausgegeben werden, um Landwirten zu helfen, den Übergang zu einer umweltfreundlichen Tierhaltung mit höherem Tierwohl zu finanzieren.

 

 

Reguliert durch die Marktwirtschaft? (Foto: Dt. Tierschutzbüro e.V.)

Darüberhinaus könnten gesunde Lebensmittel wie Obst und Gemüse subventioniert und einkommensschwache Haushalte entlastet werden. Eine Steuer würde auch Anreize setzen, weniger Fleisch zu konsumieren, und damit zu besserer Gesundheit beitragen. Ein weiterer Vorteil einer Fleischsteuer, so betonen die Autoren der Studie, liegt in der Chancengleichheit für Fleischproduzenten, denn die Besteuerung betrifft importierte Fleischprodukte genauso wie Fleisch aus Deutschland und Europa. So schütze man heimische Landwirte gegenüber Erzeugern aus Ländern mit geringeren Umweltauflagen vor Wettbewerbsnachteilen.

Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) zeigt sich offen für Vorschläge. Noch hat er sich nicht klar positioniert, wie er den Bauern beim Umbau der Landwirtschaft helfen will und lässt über einen Sprecher mitteilen, dass verschiedene Finanzierungsmodelle geprüft würden. Man erwäge, Maßnahmen für eine bessere Tierhaltung zu belohnen, pauschale Prämien wie Direktzahlungen seien nicht geplant. Die Liberalen bemängeln den Vorschlag, mehr Tierschutz durch eine staatliche Abgabe auf Fleisch zu bezahlen. Man baue auf privatwirtschaftliche Lösungen der Marktteilnehmer, wie es der Koalitionsvertrag vorsehe.

Martin Schulz, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), bezweifelt, dass private Programme ausreichend finanzielle Mittel für den Umbau der Tierhaltung bereitstellen können. Die Forderung nach staatlichen Reduktionsmaßnahmen, um aus Klimaschutzgründen weniger Tiere zu halten, lehnte die Vizevorsitzende der FDP-Fraktion Carina Konrad ab. Auf Grund von Schweinepest und wegbrechender Exportmärkte sei dies nach ihrer Meinung ohnehin nicht mehr erforderlich. Lediglich auf ein verbindliches Tierhaltungskennzeichen auf der Fleischverpackung wolle man sich bei der FDP festlegen. Die Ernährungs- und agrarpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Susanne Mittag erklärte unlängst im Interview mit der taz, sie könne mit einer Tierwohlabgabe und auch mit einer Steuer auf Fleisch leben. Man lasse gerade fachlich prüfen, wie das Geld, das der Verbraucher für verbesserte Tierhaltung zahlen würde, beim Landwirt landet.

„Grundsätzlich darf umweltfreundliche Ernährung nicht nur als Sache der persönlichen Verantwortung wahrgenommen werden“, sagt Franziska Funke. „Das zieht Politik und Wirtschaft aus der Verantwortung, systemische Veränderungen anzustoßen – sie sind es aber, deren Engagement benötigt wird, damit die Transformation hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft gelingt.“

Aus einer Umfrage von Greenpeace geht hervor, dass für die weitaus überwiegende Mehrheit der Bevölkerung Änderungen in der Tierhaltung von großer Bedeutung sind. Die Umfrageteilnehmer sind auch damit einverstanden, für mehr Tierwohl zusätzliche Steuern oder Abgaben auf Fleisch und Wurst zu zahlen. (mk)

Links zu weiterführenden Informationen

https://www.pik-potsdam.de/de/aktuelles/nachrichten/ohne-eine-steuer-auf-fleisch-wird-es-nicht-gehen

https://www.tu.berlin/forschen/themenportal-forschen/2022/januar/interview-mit-umweltoekonom-prof-dr-linus-mattauch/

Die Studie in englischer Sprache „Is Meat to cheap? Towards Optimal Meat Taxation“ steht zum Download zur Verfügung:
https://02156b4d-dee7-4bd9-bc8c-70d5c6b58384.filesusr.com/ugd/18a6cc_96663f7b39a9435c9ef40273fe895bcf.pdf