Glyphosat – Der Tod durch die Hintertür

Glyphosat beeinträchtigt das Immunsystem von Insekten

Es steht schlecht um Bienen, Schmetterlinge und viele andere Insekten. Die negativen Folgen von Glyphosat auf bestäubende Insekten wurden lange unterschätzt, tatsächlich aber sind sie eine Gefahr für die Artenvielfalt.

Seit der Krefelder Studie wissen wir es sicher: Die Zahl von Fluginsekten ist stark rückläufig. Die Biomasse flugaktiver Insekten nahm über den Untersuchungszeitraum von 27 Jahren um 76,7 Prozent ab. Hauptverursacher für den Schwund ist die Landwirtschaft, denn neben Monokulturen ist die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln eine zentrale Ursache für den Rückgang der Insektenvielfalt und für den Schwund von Insektenpopulationen.

Das als Wunderwaffe gehypte Herbizid Glyphosat gilt seit den Siebzigerjahren als großer Wurf gegen unerwünschten Wildwuchs. Es tötet jede Pflanze, die nicht gentechnisch so verändert wurde, dass sie den Herbizideinsatz überlebt. Blütenbesuchenden oder pflanzenfressenden Insekten entzieht es nicht nur jegliche Nahrungsgrundlage, sondern macht sie auch anfälliger für Krankheitserreger.

Eine Studie der US-amerikanischen Forschergruppe um den Biologen Erick Motta macht deutlich, dass Glyphosat eine wichtige Ursache für das weltweite Bienensterben sein könnte. Bienen sind auf spezialisierte Darmbakterien angewiesen, die ihr Wachstum und ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheitserregern fördern. Durch den Kontakt mit Glyphosat wird die Darmflora von Bienen gestört. Die Zahl der gefundenen Bakterienarten nahm danach signifikant ab, einige verschwanden fast gänzlich aus ihrer Darmflora. Dies führt zu einem geschwächten Immunsystem der Tiere und einer geringeren Gewichtszunahme, was sie anfälliger macht gegen Krankheitserreger und mit einem erhöhten Sterblichkeitsrisiko einhergeht. Glyphosat schädigt die Bakterien nach dem gleichen Prinzip wie die unerwünschten Pflanzen, gegen die es in der Landwirtschaft eingesetzt wird. Glyphosat greift ein Enzym (EPSPS) an, das fast nur in Pflanzen vorkommt. Dieses Enzym gibt es aber auch in Bakterien, die im Darm der Insekten zu finden sind.

Darüberhinaus beeinträchtigt der Wirkstoff auch das Orientierungsverhalten von Bienen, so dass das Wiederauffinden von Nahrungsplätzen und die Rückkehr zum Stock mitunter unmöglich sind.

Über die Auswirkung des Herbizids auf die nahezu 20.000 Wildbienen-Arten war bisher weniger bekannt. Das ändert sich nun mit neuen Untersuchungsergebnissen von Forschenden der Universität Koblenz, die im Juni diesen Jahres veröffentlicht wurden. Mit der Studie konnte der Nachweis erbracht werden, dass sich die Darmflora auch bei Dunklen Erdhummeln nach dem Kontakt mit Glyphosat verändert und sie anfälliger für bestimmte Krankheitserreger macht. Neue Erkenntnisse gewannen die Wissenschaftler hauptsächlich in Bezug auf die Beeinträchtigung von Glyphosat auf die Brutpflege. Sie konnten belegen, dass die Hummeln ihr Nest nicht mehr gleichmäßig und ausreichend lange warm halten konnten. Das bringt die Brut in Gefahr und damit die gesamte Population.

Die gegenwärtige EU-Zulassung von Glyphosat als Wirkstoff in Pflanzenschutzmitteln endet am 15. Dezember 2022 und sollte eigentlich noch vor diesem Termin neu bewertet werden. Wie es scheint, können die Genehmigungsbehörden aufgrund einer unerwartet hohen Beteiligung am Konsultationsverfahren den Zeitplan für das Procedere nicht halten. Die Folge könnte eine befristete Verlängerung der Zulassung sein, bis die Mitgliedstaaten dann im Juli 2023 mit der verspäteten Stellungnahme der EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) endgültig eine Entscheidung über die weitere Genehmigung treffen. Umweltorganisatoren kritisieren dieses Vorgehen als Freifahrtschein für die weitere Verwendung und lehnen jede Verlängerung für das Herbizid ab. Die EU Pestizidgesetzgebung und das Zulassungsverfahren von Glyphosat seien auf die Bedürfnisse der Hersteller zugeschnitten, denn die Chemieindustrie ist einer der größten Industriezweige in Deutschland und Frankreich. Die Behörden ließen die notwendige kritische Distanz der Behörden zu den Pestizidherstellern vermissen.

In Deutschland wurde der Einsatz von Glyphosat eingeschränkt und soll bis 2023 ganz verboten werden. Das längst überfällige Verbot ist Teil des Insektenschutzprogrammes, das die Bundesregierung nach Verzögerungen und Dissens im letzten Jahr verabschiedet hat. Demnach ist die Anwendung direkt vor der Ernte, in verschiedenen Schutzgebieten, an Gewässerrändern und in ökologisch sensiblen Gebieten verboten. Weiterhin erlaubt ist die “ausnahmsweise“ Verwendung im Ackerbau auf erosionsgefährtdeten Flächen oder gegen “Problemunkräuter“. Ob das Verbot tatsächlich kommt, ist davon abhängig, wie sich die EU entscheiden wird. Solange der Wirkstoff Glyphosat in der EU genehmigt ist, ist es der Bundesregierung nicht möglich, seinen Einsatz komplett zu verhindern, heißt es auf der Seite des Bundesumweltministeriums (BMUV).

Seit Jahren festigen sich Hinweise, nach denen diese Substanz als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft wurde. Auch in den USA sahen es Gerichte als erwiesen an, dass das glyphosathaltige Unkrautvernichtungsmittel „Roundup“ des US -Konzerns Monsanto für die Krebserkrankung vieler Kläger ausschlaggebend war. Das deutsche Agrarchemie-Unternehmen Bayer hatte 2018 Monsanto übernommen und wurde seither mit 125.000 Klagen konfrontiert.

Während die Insekten weltweit sterben, fahren Chemiekonzerne hohe Gewinne ein.

Aktuellen Berichten zu Folge konnte Bayer bei Umsatz und Gewinn im ersten Quartal 2022 stark zulegen und seine Erlöse im Agrargeschäft im Vergleich zum Vorjahr um 8,4 Milliarden Euro steigern. Vor allem im Bereich Herbizide, in dem die Geschäfte mit Glyphosat und anderen Unkrautvernichtern gebündelt sind, wuchs das Geschäft um fast 60 Prozent. Ein Grund dafür ist, dass Bauern ihre Erträge wegen der Ukraine Krise hochhalten wollen und mehr Geld für den Schutz ihrer Ernte ausgeben.

Insekten sind für unsere Ökosysteme unverzichtbar, denn sie sind nicht nur für die Bestäubung unserer Nahrungsmittelpflanzen unerlässlich, sondern übernehmen weitere wichtige Aufgaben. Gleichzeitig sind sie Nahrungsgrundlage vieler anderer Tiere. Weniger Wildpflanzen, weniger Lebensraum für Insekten. Die Gesamtmasse als auch die Vielfalt von Insekten ist in Deutschland in den letzten Jahren stark rückläufig. Allein in den kommenden Jahrzehnten können eine Million Arten verschwinden. Eine pestizidfreie, ökologische und nachhaltige, eine arten- und umweltschonende Landwirtschaft dürfte in unserem eigenen Interesse liegen, wenn wir Biodiversität erhalten und ein Massensterben verhindern wollen. Dafür müssen das Ausmaß des Insektensterbens und die damit verbundenen Risiken stärker ins öffentliche Bewusstsein gerückt werden und das so oft wie nur möglich.

Durch Fruchtfolgen und vielfältige Anbauweisen können Böden und Pflanzen auch ohne den Einsatz von Totalherbiziden geschützt werden. Ackerbau mit mechanischen Methoden bekämpft seit Jahrhunderten sehr wirkungsvoll unerwünschte Pflanzen auf dem Acker und bildet damit die Grundlage für ein widerstandsfähiges Umfeld und Paradies für eine Vielzahl von Nützlingen. (mk)

https://www.boell.de/de/2019/12/18/insektenatlas

https://www.bmuv.de/faq/was-steht-in-der-krefelder-studie

https://www.uni-konstanz.de/universitaet/aktuelles-und-medien/aktuelle-meldungen/aktuelles/wie-glyphosat-die-brutpflege-bei-hummeln-beeintraechtigt2/

https://www.bmuv.de/themen/wasser-ressourcen-abfall/boden-und-altlasten/bodenschutz-und-altlasten-worum-geht-es/faq-plan-zum-glyphosat-ausstieg


Glyphosat, die wirtschaftlichen Hintergründe  und die Folgen für unseren Planeten waren schon öfter Thema unserer Beiträge. Hier eine Auswahl:

Über unzuverlässige Glyphosat-Studien berichtet dieser Beitrag im Juli 2021.

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