Helfen Drohnen und GPS-gesteuerte Maschinen tatsächlich, eine umwelt- und klimafreundlichere Landwirtschaft zu realisieren?
Precision-Farming
Auch in der Landwirtschaft ist die Digitalisierung längst ein großes Thema. Unter dem sogenannten Precision Farming versteht man Verfahren der ortsdifferenzierten und zielgerichteten Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Nutzflächen. Damit soll Betrieben geholfen werden, mit weniger Pestiziden auszukommen. Probleme wie Pflanzenkrankheiten, Schadinsekten und konkurrierende Kräuter sollen mithilfe digitalisierter Technologien gezielt in den Griff zu bekommen sein.
Das versprechen zumindest Agrartechnikunternehmen. Bereits 83 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland setzen auf digitale Technologien, in Form von GPS-gesteuerten Landmaschinen und Agrar-Apps. Je größer die Betriebe desto digitaler ausgestattet sind sie, was zu Wettbewerbsverzerrungen führt. Die gewaltigen Investitionen, die die Digitalisierung fordert, erhöht den Druck auf Kleinbetriebe und zwingt sie zu Zusammenschlüssen. Die Urproduktion verliert weiter an Wert, während die Wertschöpfung in IT und Landmaschinentechnik abwandert. Das Höfesterben wird durch diese Entwicklung beschleunigt.
Prognosen schätzen ein Anwachsen des digitalen Marktes in der Landwirtschaft auf 4 Milliarden US-Dollar. Die Verzahnung der IT-Branche mit der Agrochemie, Landmaschinenbranche und auch der Finanz- und Versicherungswirtschaft ist in vollem Gange. Große Unternehmen wie Google und Amazon wittern lukrative Geschäfte und stoßen bereits in den Markt mit landwirtschaftlichen Daten. Die Konzentration von Anbaudaten in der Hand weniger Großkonzerne birgt jedoch eine große Gefahr, denn souveräne und eigenständige Entscheidungen der Landwirt*innen werden dadurch immer schwieriger. Bereits bestehende Machtkonzentrationen in der Wertschöpfungskette werden damit weiter verschärft.
Das Potenzial der digitalisierten Landwirtschaft sei es, den Einsatz von Pestiziden um bis zu 90 Prozent zu reduzieren, so das Versprechen der Konzerne. Die Rebound-Effekte werden dabei allerdings außer acht gelassen: Der erhöhte Energieverbrauch durch neue Technologien oder die Ausweitung intensiver Landwirtschaft auf Flächen, die bisher nur extensiv oder noch gar nicht genutzt wurden und ökologisch wertvoll sind.
Außerdem liegen bislang kaum Daten darüber vor, ob die neuen Techniken wirklich zu weniger Pestizideinsatz führen. Die Förderung des Ökolandbaus aus dem Auge zu verlieren, da die Digitalisierung im konventionellen Anbau des Rätsels Lösung scheint, wäre fatal. Im Gegenteil, zivilgesellschaftliche Organisationen und die Wissenschaft fordern mehr Forschung im Bereich der ökologischen Landwirtschaft und des nicht-chemischen Pflanzenschutzes sowie dem Erhalt der Biodiversität. Auch die Jugendumfrage 2021 zeigt, dass die allermeisten jungen Menschen sich mehr Forschung in Richtung pestizidfreier Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten wünschen.
In den Ländern des globalen Südens besteht die große Gefahr, dass Kleinbauern bei der Entwicklung nicht mithalten können und den Landbau aufgeben, Arbeitsplätze im ländlichen Bereich gehen verloren. Bäuerliche Betriebe werden in Abhängigkeiten von großen Chemiekonzernen getrieben. So wirbt beispielsweise BASF mit „Early Disease Warning System (EDWS)” als Teil einer „Präzisionslandwirtschaft angepasst für Kleinbauern“, wodurch diese in eine einseitige „Beratungsabhängigkeit“ von Chemiekonzernen und deren teuren, pestizidbasierten Ansätzen zur Schädlingsbekämpfung geraten. (JL)
Quellen:
https://www.boell.de/de/2022/01/12/digitalisierung-der-landwirtschaft-wem-nutzt-das-digital-update