Carbon-Farming

Starke Böden für stabiles Klima.

Kohlenstoff binden mit Pflanzenkraft

Pflanzen können das, worauf es ankommt, um Klimaziele zu erreichen: Sie entziehen der Luft Kohlendioxid und spalten es mit Hilfe von Lichteinwirkung auf in Sauerstoff und Kohlenstoff. Der Sauerstoff entweicht und mit dem Kohlenstoff wird Biomasse gebildet. Neben Wäldern und Mooren sind also Böden wichtige Kohlenstoffspeicher.

Aus toter organischer Masse lassen Bakterien, Pilze, Würmer und Insekten wertvollen Humus entstehen. Humus erhöht die Bodenfruchtbarkeit und die Wasserhaltekapazität. Doch das empfindliche System ist Gefahren ausgesetzt: Pestizide, Kunstdünger, Bodenverdichtung durch schweres Gerät, Aufreißen des Bodens durch Pflüge – all das schadet dem Mikrobiom.

Es gibt aber bewährte Methoden, um Humusverluste zu verringern und – noch wichtiger – Humus aufzubauen. Die Bodenlebewesen freuen sich zum Beispiel, wenn Wurzeln, Stroh oder Stoppeln auf den Feldern bleiben. Der Anbau von Zwischenfrüchten ist wichtig, damit der Boden bedeckt ist und durchwurzelt wird. Zudem reduzieren stickstoffsammelnde Hülsenfrüchte den Bedarf an mineralischer Düngung. Pflanzensorten mit starker Durchwurzelung erleichtern es den Bodenlebewesen sich fortzubewegen. Der Boden wird aufgelockert und durch die Ausscheidungen der Mikroorganismen gedüngt. Gleichzeitig wird die Erosionsgefahr durch Wind oder Wasser gesenkt. Landwirt*innen verwenden auch Untersaaten, um diesen Effekt zu erreichen. Weiterhin dient Agroforstwirtschaft dem Erosionsschutz und einer erhöhten Wasserspeicherung. Auf agroforstwirtschaftlich genutzten Flächen werden Bäume mit Ackerkulturen und/oder Tierhaltung kombiniert. Diese Methoden wenden Landwirt*innen an, wenn sie „Carbon-Farming“ betreiben.


Carbon-Farming, was ist das?

Durch intensive Bodenbearbeitung und Bewirtschaftung verbunden mit Überdüngung sowie durch die Trockenlegung von Mooren, um Wirtschaftsfläche zu erhalten, werden Treibhausgase freigesetzt.
Carbon-Farming kann man als Bewirtschaftungsform bezeichnen, die dabei hilft, Kohlenstoff im Boden zu speichern und dadurch den Klimaschutz zu fördern. Das Ziel ist, Humus aufzubauen, indem Pflanzenreste dem Boden zugeführt werden oder im Boden bleiben.
Während der Photosynthese nehmen Pflanzen Kohlendioxid auf und verstoffwechseln ihn zu organischen Verbindungen wie z.B. Kohlenhydraten. Diese nutzen die Pflanzen selbst, geben sie aber auch über das Wurzelwerk in den Boden ab. Dort wird das Bodenleben und damit der Humusaufbau gefördert. Das hat zwei Vorteile: Kohlenstoff wird im Boden gebunden, damit wird der Treibhauseffekt gebremst. Die Bodenfruchtbarkeit und die Wasserspeicherfähigkeit werden erhöht.
Um Humus aufzubauen helfen verschiedene Methoden: Eine bodenschonende Bearbeitung, der Anbau von Zwischenfrüchten, der Anbau von Pflanzensorten, die den Boden stark durchwurzeln, die Verwendung von Untersaaten, der Ausbau von Agroforstwirtschaft und das Einbringen von Pflanzenkohle als stabiler Kohlespeicher.


Alle Maßnahmen, die den Kohlenstoffgehalt im Boden erhöhen, können die Klimaerwärmung deutlich senken und helfen, die Klimaziele zu erreichen. Aber: Der Kohlenstoffgehalt in landwirtschaftlich genutzten Böden ist keine feste Größe. Er verändert sich durch die Bewirtschaftung. Im Ackerbau wird Kohlenstoff durch Pflanzen eingetragen, aber der Boden lebt und durch Abbauprozesse geht Kohlenstoff verloren. Je mehr Lebewesen ein gesunder, humusreicher Boden enthält, umso mehr  Kohlenstoff wird sogar veratmet. Den Humusaufbau zu fördern ist trotzdem wichtig, damit Böden fruchtbar und  vor Erosion sowie Klimaeinflüssen geschützt bleiben. Lässt man auf landwirtschaftlichen Flächen mehr Vielfalt zu und vermeidet Monokulturen stärkt auch das die Widerstandsfähigkeit gegenüber Klimaeinflüssen. Mit sogenannten „Humuszertifikaten“ sollen Anreize für Carbon-Farming gesetzt werden. Dafür muss die Kohlenstoffanreicherung im Boden bestimmt und anschließend in CO2-Äquivalente umgerechnet werden. Pro Tonne erhalten die Landwirt*innen dann einen festgelegten Preis von Unternehmen, die ihre Treibhausgas-Emissionen ausgleichen und ihre Waren als klimaneutral bewerben wollen.

Unstrittig ist, dass Carbon-Farming-Maßnahmen wichtig und förderungswürdig sind. Dass sie aber für den Zertifikatehandel zum Ausgleich von Treibhausgasemissionen taugen, bezweifeln gleichermaßen eine Reihe von Wissenschaftler*innen wie Politiker*innen. Ein Grund ist, dass Kohlenstoff nicht in gleichbleibender Menge im Boden gespeichert werden kann. Intakte Böden sind lebendig und der Kohlenstoffgehalt schwankt. Um den Klimaschutzeffekt zu sichern, müsste die Landwirtin über eine unbestimmbar lange Zeit an den Maßnahmen festhalten, auch wenn der Verkauf der Zertifikate schon längst abgeschlossen ist. Darüber hinaus würden Landwirt*innen, die schon lange nachhaltig wirtschaften, benachteiligt. Ganz anders ist das bei Klimaschutz durch Reduktion von Treibhausgasen – sind die Maßnahmen einmal getroffen, sind sie klar messbar und nicht veränderlich. In der Pflanzenproduktion ist es in diesem Zusammenhang wichtig, den Einsatz von Mineraldüngern zu reduzieren sowie Überdüngung zu vermeiden, indem der Düngebedarf der Pflanzen bestimmt und eine Nährstoffanalyse bei organischem Dünger durchgeführt wird. Auf diese Weise werden Emissionen gesenkt.

Zuweilen erscheint es wenig zielführend für den Klimaschutz, wie Carbon-Farming in Verbindung mit dem Handel von CO2-Zertifikaten realisiert wird. So ist der Erhalt von Grasland als Humusspeicher ohne Frage sehr wichtig für den Klimaschutz, auch wenn weidende Wiederkäuer klimaschädliches Methan ausstoßen. Absurd wirkt es dagegen, wenn ein Milchviehbetrieb mit 160 Kühen in Frankreich seine Tiere im Rahmen des französischen Carbon-Farming-Programms 365 Tage im Jahr im Stall stehen lässt, damit das umliegende Grünland nicht zertrampelt wird und kein Kohlenstoff entweichen kann. Das Programm zertifiziert die CO2-Einsparung und der Milchviehbetrieb verdient an den Zertifikaten. Unter anderem Lebensmittelkonzerne kaufen öffentlichkeitswirksam CO2-Zertifikate. Doch gerade die Beweidung erhält das wichtige Ökosystem Weide. Die Reduzierung der Tierzahlen und die Bindung der Tierhaltung an die Fläche sind wichtige Maßnahmen, um Treibhausgase in der Landwirtschaft zu reduzieren.

Großes Potential wird seit einiger Zeit der Pflanzenkohle als Klimaretterin zugesprochen. Pflanzenkohle, auch Biokohle oder Biochar genannt, entsteht durch Pyrolyse. Biomasse wird hierbei unter Ausschluss von Sauerstoff verbrannt, sodass kaum Kohlendioxid entweicht. Der Kohlenstoff, der jetzt in Form von Pflanzenkohle vorliegt, ist sehr stabil und wird langsamer in Kohlendioxid umgewandelt als der Kohlenstoff unbehandelter Biomasse. Als Beispiel für die besonders dauerhafte Bodenverbesserung durch Pflanzenkohle wird gern die extrem fruchtbare Terra Preta angeführt, die in Teilen des Amazonasgebietes vorkommt. Terra Preta ist vor hunderten von Jahren aus organischen Abfällen, Fäkalien, Tonscherben und Holzkohle entstanden. Holzkohle wirkt als Speicher und verhindert, dass Nährstoffe ausgewaschen werden. Die Kohlenstoffpartikel sind porös, haben eine große Oberfläche und verbinden sich mit Humusstoffen.

Allerdings sind die Effekte von Pflanzenkohle in den tropischen Böden nur so stark, weil diese Böden sehr nährstoffarm sind und Humusaufbau schwer möglich ist. In den eher nährstoffreichen Böden der gemäßigten Klimazonen sind eine gute Wasserspeicherkapazität und vor allem hohe biologische Aktivität wichtig, die durch Pflanzenkohle kaum gefördert wird. Außerdem müsste, um einen Effekt auf das Klima zu erzielen, fast die gesamte Biomasse zu Pflanzenkohle verarbeitet werden. Diese Biomasse würde dann zur Herstellung von wertvollem Kompost fehlen. Der Kompost wiederum hat ohne Einsatz von Hochtechnologie unmittelbar einen positiven Effekt auf die biologische Aktivität, die Bodenstruktur, die Nährstoffversorgung sowie die Wasserspeicherfähigkeit.

Die ersten Experimente mit Pflanzenkohle wurden in Australien und Brasilien auf sehr wenig fruchtbaren Böden durchgeführt. Wissenschaftler*innen wiesen dann eine positive Wirkung von Pflanzenkohle auf landwirtschaftliche Erträge nach, wenn die Bedingungen vorher sehr ungünstig waren. Beispielsweise beobachteten sie aber sogar eine schlechtere Ernte, wenn Pflanzenkohle in fruchtbare Böden eingebracht wurde und erklärten dies mit einer „Immobilisierung“ von Nährstoffen. Das heißt, die Nährstoffe waren nicht nutzbar für die Pflanzen und wurden erst unter veränderten Bedingungen wieder mobilisiert. Auch wenn die Wirksamkeit von Pflanzenkohle noch heftig diskutiert wird, scheint sie den Weg für den Zertifikatehandel ebnen zu können. Der Grund: Die Menge des gebunden Kohlenstoffs ist messbar und für Jahrhunderte stabil. Trotzdem ist die Vergabe von CO2-Zertifikaten für die Kohlenstoffspeicherung im Boden fragwürdig, da sich das Einbringen von Pflanzenkohle auch nachteilig auf die Böden auswirken kann, wie die erwähnten Diskussionen zeigen. Wo und wie Pflanzenkohle eingesetzt werden kann, sollte besser erforscht und reguliert werden.

Um gegen den Klimawandel bestehen zu können, ist es in erster Linie wichtig, landwirtschaftliche Emissionen zu senken und Ökosysteme zu stabilisieren. Der Handel mit CO2-Zertifikaten sollte hierbei zweitrangig sein. Und wenn er stattfindet, sollten eher die Maßnahmen zur Förderung der Bodenfruchtbarkeit oder Artenvielfalt unterstützt werden und nicht die Ergebnisse der Maßnahmen gemessen in Tonnen CO2. Bodenverbesserung durch das Einbringen von Pflanzenkohle sollte nur eine von vielen Maßnahmen für den Klimaschutz sein. Denn ein Großteil der Treibhausgase in der Landwirtschaft entsteht durch die Herstellung und den Einsatz von Mineraldünger. Priorität hat demnach, dass Landwirt*innen statt Mineraldünger organischen Dünger – abgestimmt auf den Nährstoffbedarf des Bodens – verwenden, um Emissionen zu senken. Stabile Ökosysteme entstehen weiterhin, wenn Betriebe ihre Tierzahlen reduzieren, Weideland erhalten und intakte, humusreiche Böden schaffen mit einer hohen Wasserspeicherkapazität und geringer Erosionsanfälligkeit. (sf)

 

Quellen und weiterführende Links:

https://www.martin-haeusling.eu/themen/bodenschutz-landgrabbing/2646-positionspapier-lebendige-boeden-statt-kohlenstofflagerstaetten.html

https://martin-haeusling.eu/presse-medien/pressemitteilungen/2820-carbon-farming-allheilmittel-oder-greenwashing.html

https://taz.de/Nachhaltige-Energie/!5834302/

https://taz.de/Appell-zum-Weltbodentag/!5643764/

http://berlinerpflanzen.net/2020/11/20/das-potential-von-pflanzenkohle-was-sagt-der-bund/

https://www.euractiv.de/section/energie-und-umwelt/news/verbaende-kritisieren-eu-strategie-zu-carbon-farming-als-symbolpolitik/

https://www.derpragmaticus.com/r/klima-carbon-farming/

https://www.youtube.com/watch?v=jk7Pk-AzU9E

https://www.oekoregion-kaindorf.at/index.php?id=1082