Agrardiesel-Streichung. Klimafreundlich oder falsches Signal?

An Hoftankstellen fließt eine Menge Diesel durch die Zapfpistolen.

Ein Meinungsbeitrag von Andreas Grede

Klar: Umweltschädliche Förderungen müssen endlich gekürzt oder gestrichen werden. Daher ist es nicht vermittelbar, dass das Dienstwagenprivileg oder die Subventionierung von Diesel generell unangetastet bleiben. Wer tagsüber auf der Autobahn fährt, wundert sich über die vielen teuren Mittel- und Oberklassen-PKW, die links ohne Rücksicht auf Spritverbrauch an einem vorbei rasen bis zum nächsten Stau. Bei der 1 %-Regelung kommt es schließlich nicht auf Spritverbrauch oder Verschleiß an. Den zahlt ja die Firma. Nur: Was macht das mit der Umwelt?

Es wäre schon mal sinnvoll, wenn der Staat grundsätzlich die Subventionierung für Diesel (und Kerosin!) streichen würde, wie es u.a. auch die Wirtschaftsweisen im März 2023 gefordert haben. Doch eine solche Maßnahme löst Panik aus in der Politik. Wahrscheinlich sieht man schon die Headlines der Springer-Presse vor dem geistigen Auge: „Ampel versaut Millionen den Urlaub“. Da funktioniert der Lobbyismus vortrefflich.

Doch was tun? Gerade die Landwirtschaft kann nicht einfach auf E-Traktoren zurückgreifen, die gibt es nämlich fast nicht. Außerdem fahren Trecker in der Regel auf dem Feld und nicht auf der Straße – ein Grund für die sogenannten grünen Kennzeichen. Gut, die E-Auto-Förderung wird auch eingeschränkt, es müssen ja alle „Opfer bringen“. Aber deshalb den Landwirten an den Kragen?

Die Landwirtschaft soll ökologischer werden. Da sind sich eigentlich alle einig. Kohlenstoff speichern, Grundwasser sauber halten und Tiere anständiger halten. Doch die Borchert-Kommission hat sich aufgelöst, wie wir schon im August diesen Jahres berichten mussten. Das zeigt auch, wie wenig Gestaltungswillen bei den meisten der Regierungsverstreter*innen vorhanden ist. Da wird dann gerne die freie Marktwirtschaft auf die Fahnen geschrieben, statt Verantwortung zu übernehmen und Lenkungsmaßnahmen anzustoßen.

Die Landwirtschaft hatte durchschnittlich ein wirtschaftlich gutes Jahr 2022. Das heißt allerdings nicht allzu viel. Viele Gewinne werden als Rücklagen vermutlich wieder dahin schmelzen, für kleinere Betriebe oft existenzgefährdend.

Auch hier liegt allerdings ein Problem. Herr Rukwied vom Bauernverband klagt in gewohnt hohen Tönen über die Folgen für die Landwirtschaft, die es so eigentlich gar nicht gibt. Ein bäuerlicher Betrieb in Familienbesitz hat wenig bis nichts zu tun mit den Ländereien eines Agrarkonzerns, industrielle Tierfabriken können nicht mit einem durchschnittlichen Milchviehhalter-Betrieb verglichen werden. Doch um die Profite der Großen zu schützen, müssen die Kleinen protestieren, so die Logik der Funktionäre, die oft genug auf der Gehaltsliste großer Unternehmen stehen. Insofern klingt der Vorschlag der Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft nachvollziehbar, eine Obergrenze für Agrardieselvergütung von zehntausend Litern einzuführen. Dies wäre eine Wiedereinführung wohlgemerkt.

Ebenfalls festzuhalten bleibt in aller Deutlichkeit: Lebensmittelpreise werden vom Handel bestimmt, gerade auch von Discountern (wobei Edeka der größte deutsche Lebensmittelkonzern bleibt). So lange Landwirte ihre wahren Kosten nicht erwirtschaften können, stimmt das ganze System nicht. Vorsicht allerdings: Verbraucher*innen, die nicht im Bio-Laden kaufen, sind keineswegs die wahren Schuldigen. Es gibt viele Millionen prekärer Arbeitsverhältnisse in Deutschland, einem der führenden Billiglohn-Länder in Europa. Wer trotz 40-Stunden-Woche nicht genug Geld verdient, um die Familie zu ernähren, hat keine Wahl.

Ja, an dieser Stelle kommt man wieder zum Problem einer neoliberalen Wirtschaft. Diese wird allerdings ideologisch leider auch von vielen landwirtschaftlichen Traditionsbetrieben vertreten, die gleichzeitig gerne verdrängen, dass sie letztlich arg am Tropf der Subventionen hängen. Doch nun fehlt das Geld. Scheinbar. Ein Teufelskreis, der seine Ursache besonders in der Schuldenbremse hat, dem Fetisch der Herren Lindner und Merz.

Dies wäre einen eigenen Beitrag wert. Ein Staat ist kein Privathaushalt. Investitionen, gerade auch in die ökologische Transformation, die Bildung, die Infrastruktur, das Gesundheitswesen, aber auch die Sicherung der Grundbedürfnisse der Bevölkerung, sind der Motor der Gesellschaft und Existenzgrundlage zukünftiger Generationen.

Wie sagte eine junge Klimaschützerin: „Die Welt geht unter, denn wir tun nichts. Aber wir sind dann wenigstens schuldenfrei.“

Das schreiben Presse und Verbände

Die Zeit veröffentlicht ein dpa-Gespräch mit dem Agrarwissenschaftler Stephan von Cramon-Taubadel unter der Überschrift „Agrardiesel-Subventionen sind aus der Zeit gefallen“. Darin heißt es: «Es fehlt ein größeres Konzept für eine sinnvolle nachhaltigkeitsgesteuerte Unterstützung des Agrarsektors», kritisierte der Wissenschaftler. Wenn es um Einkommensstützung gehe, müsse man die Betriebe mit Einkommensproblemen finden, die man erhalten wolle, und ihnen gezielt helfen. Oder man müsse gezielt für Umweltleistungen Geld ausgeben und die Landwirte honorieren, die diese Leistungen erbringen. Subventionen, die sich nach der Größe der Fläche richteten, seien nicht mehr zeitgemäß. «Es ist aus der Zeit gefallen, mehr Subventionen zu zahlen, umso mehr Diesel jemand verbraucht.»

Die Westfälischen Nachrichten schreiben dazu: „Dass die Bundesregierung nach der Karlsruher Klatsche in ihrer Not nach jeder erdenklichen Einsparmöglichkeit sucht, ist nachvollziehbar. Dass sie über Nacht das Aus bei der E-Auto-Förderung wie der Agrardiesel-Subvention verkündet, zeugt hingegen von mangelnder Sensibilität. Das gleicht einer Milchmädchenrechnung, weil die Akzente falsch gesetzt sind. Zu kurz greift zudem der Hinweis von Umweltschützern, die ökonomischen Rahmenbedingungen für Landwirte seien derzeit gut, folglich können sie einen höheren Dieselpreis problemlos verkraften. Weil der globale Agrarmarkt wirtschaftlich einer Achterbahnfahrt gleicht und auf jedes Hoch ganz bestimmt das nächste Tief folgt“.

Ganz anders sieht das erwartungsgemäß der Bioland-Verband in einer Pressemitteilung: „Generell ist es doch so: Kein Landwirt braucht Subventionen, wenn er auskömmliche Preise erhält. Das ist jedoch häufig nicht der Fall, denn die meisten Betriebe haben gar keinen Einfluss auf ihre Erzeugerpreise. Es bestimmen die Hersteller und Händler. Subventionen wie den sogenannten Agrardiesel gibt es nur, um diese Ungleichgewichte im Markt zu kompensieren. Werden solche Subventionen gestrichen, spart man ausgerechnet beim schwächsten Glied in der Wertschöpfungskette, bei den Landwirt*innen.“

Dem schließt sich die Vereinigung Ökologischer Landbau in Hessen an und betont: „Den Rotstift auf diese pauschale Art bei den landwirtschaftlichen Betrieben anzusetzen, ist der falsche Weg. Hingegen sollte die Landwirtschaft in die Lage versetzt werden, ihren nötigen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz zu leisten.“

Früh hatte sich dagegen der Landwirtschaftsexperte Martin Hofstetter von Greenpeace positioniert und die Streichung der Subventionen klimapolitischer Sicht begrüßt. In einem Interview für seine Organisation sagte er: „Bei allem Verständnis für die Bauern und Bäuerinnen – Agrardiesel staatlich zu verbilligen, ist teuer, klimaschädlich und gehört abgeschafft. Angesichts milliardenschwerer Subventionen für die Landwirtschaft ist der geplante Wegfall der Dieselsubvention durchaus zu verkraften.“

Moderater als Greenpeace gibt sich der BUND, fordert aber ebenfalls aus Klimaschutzgründen ein Ende der Dieselsubvention: „Die vereinbarte Streichung der Agrardiesel-Subvention ist im Kern ein Schritt hin zu weniger Treibhausgasen. Kombiniert mit dem Wegfall der Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Betriebe wird nun aber auf einmal eine deutliche finanzielle Mehrbelastung erreicht. Sie sendet ein falsches Signal an einen Berufsstand, der seit Jahren enormen Veränderungsdruck ausgesetzt ist.“

Wer in die Tiefen der Seelen einiger reaktionärer Landwirte blicken will, der lese die Kommentarspalten auf der Webseite von Bauer Willi. Dort wird gehetzt gegen die „Hampelregierung“ und überhaupt die „ganze woke, links grüne, ökofaschistische Politik“.

Auch Wilhelm Kremer-Schillings, bekannt als Bauer Willi (der in Wahrheit kein echter Bauer ist und auf unserer Webseite schon einen eigenen Beitrag bekam) und von der taz Chemie-Willi“ tituliert, schäumt erwartungsgemäß gegen Grüne und Umweltschützer, besonders gegen Martin Hofstetter von Greenpeace.

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) macht dagegen einen Kompromissvorschlag. Der Titel ihrer Pressemitteilung lautet „Kappen statt streichen“.  Die Wiedereinführung der Obergrenze von 10.000 Litern pro Betrieb würde kleineren Höfen helfen, die großen Unternehmen dagegen belasten.

Was die Schuldenbremse bewirkt

„Es ist erschütternd: 61 Prozent der Deutschen halten die Schuldenbremse für eine gute Idee“, schreibt Ulrike Herrmann in einem bemerkenswerten taz-Kommentar und erklärt diesen wirtschaftspolitischen Trugschluss. Wir erinnern uns: Schuldenbremse und Agrardiesel hängen thematisch eng zusammen.

Wolfgang Schäuble war ein Jurist und mit ökonomischen Problemen überfordert. So lautet das harte Urteil derselben Redakteurin in einem Beitrag, der einen Tag später anlässlich des Todes des prominenten CDU-Politikers erscheint. Klingt despektierlich, aber dieses Urteil bezieht sich auf die beliebte „Schwarze Null“, die u.a. Rechtspopulisten in ganz Europa Zulauf verschaffte. Lesenswert.