Viele Kleingewässer sind mit Pestiziden belastet

Pestizidbelastung in heimischen Gewässern

Das Umweltbundesamt warnt: Unsere Bäche sind in einem schlechten Zustand. Die Pestizid-Belastung von Kleingewässern überschreitet festgelegte Grenzwerte.

Eine vom Umweltbundesamt (UBA) beauftragte und vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) durchgeführte Studie hat belegt, dass in 80 Prozent der untersuchten Bäche in der deutschen Agrarlandschaft die für Tiere und Pflanzen festgelegten Grenzwerte überschritten wurden. Die Pestizidbelastung sei gerade dort besonders hoch, wo viele Pestizide auf den umliegenden Äckern ausgebracht werden. „Das Kleingewässermonitoring zeigt deutlich, dass unsere Gewässer nicht ausreichend vor Belastungen, insbesondere durch Pflanzenschutzmittel-Rückstände, geschützt sind.“ sagt Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes. Trotz der bereits existierenden Umweltauflagen im Rahmen der Pflanzenschutzmittel-Zulassung sei Deutschland weit vom Ziel der unbelasteten Gewässer in gutem ökologischem Zustand entfernt.

Die Pestizidrückstände hätten stärkere Auswirkungen auf die Tiere und Pflanzen im Gewässer als bislang angenommen. „Die Lebensgemeinschaft der Insekten war in vier von fünf untersuchten Bächen nur in einem mäßigen bis schlechten Zustand“, berichtet das Umweltbundesamt.

Für die Studie untersuchte das Team um Professor Matthias Liess 2018 und 2019 mehr als 100 Gewässerabschnitte in der unmittelbaren Nachbarschaft zu landwirtschaftlich genutzten Flächen in Deutschland. Bei der Feldbestimmung unterschieden sie zwischen den Anbaukulturen (Weizen, Gerste, Roggen, Hafer, Zuckerrübe, Mais, Raps, Kartoffel, Triticale, Dinkel, Ackerbohne, Spargel, Erbse, Wein- und Obstanbau) sowie den Landnutzungstypen Grünland, Wald und Siedlung. Weil der Oberflächenabfluss von Böden, die schneller erodieren, größer ist als von weniger erodierbaren Böden, untersuchte man auch den Einfluss der Bodentypen in den Einzugsgebieten der Messstellen auf die gemessenen Pflanzenschutzmittel (PSM)-Wirkstoffkonzentrationen.

Weitere Erhebungen im Rahmen der Studie an 14 Messstellen in 2021 ergänzten die Ergebnisse. Mithilfe dieser erneuten Untersuchung sollte ermittelt werden, inwiefern eine reduzierte Belastung der Fließgewässer durch die zwischenzeitlich verbotenen Neonicotinoide festgestellt und ob stattdessen andere Insektizide nachgewiesen werden können. Dabei wurden erstmals auch Daten zur PSM-Ausbringung von landwirtschaftlichen Betrieben an zehn Messstellen aus der Umgebung mit ausgewertet.

Erwartungsgemäß konnte ein Zusammenhang zwischen Landwirtschaft und Pestizidbelastung nachgewiesen werden: Denn je mehr Pestizide auf den umliegenden Äckern eingesetzt wurden, desto stärker waren die Gewässer mit Rückständen belastet. Die ForscherInnen konnten zeigen, dass vor allem bei und nach Regenfällen von den Feldern abfließendes, mit Pestiziden belastetes Oberflächenwasser in die Bäche gelangt. Diese Bäche sind Lebensraum für zahlreiche Tiere und Pflanzen und sie transportieren Schadstoffe in größere Gewässer, die auch zur Trinkwassergewinnung genutzt würden. Es zeigte sich allerdings auch: Bewachsene Gewässer-Randstreifen, die nicht landwirtschaftlich genutzt werden, können diesen Oberflächenabfluss reduzieren.

Die ausgewerteten Belastungsdaten zeigen auf, dass Zulassungsverfahren die Umwelt und Biodiversität unzureichend schützen. Aus Sicht von PAN Germany (Pesticide Action Network) sind diese dringend nachzubessern. In den Prüfverfahren für die PSM-Zulassung werden zwar mögliche Umweltauswirkungen betrachtet, Vorhersagen über den Verbleib der Wirkstoffe in der Umwelt getroffen und Maßnahmen zum Schutz der Umwelt festegelegt, in der Realität werden die erwarteten Ergebnisse jedoch nicht erreicht. Bei älteren Pestizidwirkstoffen fehlen solche Maßnahmen komplett und oftmals dauert es viel zu lange, bis neues Wissen über die Risiken der verschiedenen Wirkstoffe eingebracht wird.

Die Lücken in der Pflanzenschutzzulassung seien zahlreich, so die AutorInnen des Kleingewässermonitoring. Man benötige dringend bundesweit repräsentative Daten zu Pestizidrückständen in Gewässern, die es vor der Durchführung des Kleingewässermonitoring nicht gab, genauso wie auch der Zustand kleinerer Gewässer in unmittelbarerer Nähe zu Feldern, auf denen Pestizide angewendet werden, nicht bekannt war. Auch die Aufzeichnungen der landwirtschaftlichen Betriebe in ihren Spritztagebüchern stehen der Forschung und den Behörden bislang nicht zur Verfügung. Ohne diese Daten zur Anwendung und zu den Schutzmaßnahmen könne man die Quellen und Ursachen nur unzureichend untersuchen und beurteilen.

Die Bundesregierung müsse handeln und alle beteiligten Akteure rund um Pflanzenschutzmittel und Gewässer seien aufgerufen, zu einer notwendigen Verbesserung beizutragen. Ein regelmäßiges Monitoring kleiner Gewässer und eine systematische Erhebung der Pestizid-Anwendungsdaten sei laut UBA zukünftig unerlässlich, um Schutzmaßnahmen messen und verbessern zu können. Dauerhaft bewachsene Gewässerrandstreifen an allen kleinen Gewässern der Agrarlandschaft – allerdings ohne die bisher üblichen Ausnahmen – sieht das Umweltbundesamt als wirkungsvoll an.

Darüberhinaus unterstreichen die Studienergebnisse die dringende Notwendigkeit, den Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide insgesamt zu reduzieren. Eine ambitionierte Verordnung mit verbindlichen Zielen zur Pestizidreduzierung könnte zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln beitragen. Die stärkere Förderung und Honorierung des ökologischen Landbaus sei unerlässlich, denn er sei bislang das einzige System, mit dem der Schutz der Trinkwasserressourcen zuverlässig gelingt. (mk)

https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/11850/publikationen/63_2023_texte_belastung_von_kleinen_gewaessern_in_der_agrarlandschaft_mit_pflanzenschutzmittel-rueckstaenden.pdf

Pestizidreduktion jetzt