Etwa 1500 Menschen demonstrierten vor dem Kasseler Rathaus. Auch die AGA zeigte sich gut sichtbar.
Ein Meinungsbeitrag von Andreas Grede
Eine Viertelmillionen Menschen brachte der Weltklimastreik in Deutschland immerhin auf die Straße. Dabei setzten die Unkenrufe schon vorher ein und wurden auch in den Medien verbreitet: Nur wenige Menschen würden Fridays for Future noch einen wichtigen Einfluss auf die Klimapolitik zugestehen. Nicht sehr motivierend, sich Losern anzuschließen, könnte daraus folgen. Bringt ja eh nix.
Klar, das ist bekannt: Krieg und Krisen haben das Klima aus den Schlagzeilen verbannt. Das hat dazu geführt, dass sich einige vor allem junge Menschen radikalisiert haben und auf Straßen festkleben. Dies wiederum hat die rechte Presse von Springer & Co. dankbar aufgegriffen und einige Politiker dazu gebracht, von „Öko-Terroristen“ zu schäumen. Lächerlich, wenn man die Forderungen betrachtet, die gestellt werden: Ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen! Über die Methoden lässt sich streiten – und erstrecht über die Adressaten des Protests. Dennoch: Terrorismus ist sicher etwas anderes.
Was also bringt der Protest der Fridays, was hat er bisher gebracht? Grundsätzlich ist festzustellen, dass wir uns zu sehr an Schlagzeilenmeldungen gewöhnt haben. Dabei ist alleine das Engagement der Jugend für eine Zukunft des Planeten schon an sich bemerkenswert. In den fünf Jahren ihres Bestehens haben die Aktiven und ihre Unterstützerinnen und Mitschüler überhaupt erstmal wieder ein gesellschaftliches Bewusstsein geschaffen für die Klimakrise.
Immerhin haben hochrangige Menschen aus der Politik das Gespräch mit der Bewegung gesucht, von der UN Vollversammlung bis zur Bundeskanzlerin wurden Vertreterinnen gehört. Die Scientists for Future haben sich gegründet und wichtiges Wissen verfügbar gemacht. Alle großen Umweltschutzorganisationen haben sich dem Protest wie beim 13. globalen Klimastreik angeschlossen. Und wer heute noch den Klimawandel leugnet, ist entweder völlig verpeilt und/oder AfD Wähler.
Nun neigen PolitikerInnen dazu, Proteste so lange zu ignorieren, wie ihre Karriere nicht unmittelbar gefährdet ist. Laut Jürgen Resch, dem jahrzehntelangen Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), regieren in Verkehrsfragen ohnehin nicht gewählte Politiker sondern die Automobilindustrie. Lindners inniges Verhältnis zu Porsche ist da nur die Spitze des Eisbergs. Dennoch – oder gerade deshalb – bleibt der Protest von der Straße wichtig. Denn der hat auch noch andere Auswirkungen, und zwar bis ins Private.
Wenn die Klimadiskussionen das Abendessen in der Familie erreichen, können sich Eltern nicht dauerhaft wegducken. Denkprozesse werden in Gang gesetzt und wirken erst mit der Zeit. Denn der Mensch neigt dazu, auf unmittelbare Gefahr schnell zu reagieren, langfristige Gefahren (Rauchen, Bewegungsmangel) aber zu verdrängen. Die Klimakrise ist eine schleichende, ständig präsente Gefährdung. Leider mit Gewohnheitscharakter, das stumpft ab.
Mit diesem Phänomen spielt eine Mehrheit der Ampel-Koalition. Das Aushöhlen der Klimagesetze (Klimaziele werden nicht mehr nach Sektoren wie Verkehr gemessen sondern nur noch in Summe), die Verweigerung eines sozial gerechten Klimagelds oder das Geschwätz von „Zukunftstechnologien“ übertünchen Probleme und zugleich wird sozialer Unfriede geschaffen. Sie wissen es besser, aber suggerieren der Gesellschaft, im Großen und Ganzen könne alles so bleiben wie es ist.
Auf Dauer lassen sich Tatsachen jedoch selbst mit den perfidesten Sprüchen nicht wegleugnen. Wenn die Bild meldet, einen vergleichbaren Sommer habe es schon 1972 gegeben, ist die Absicht dahinter klar. Klimaleugnen hebt in den Augen der Profiteure den für sie einzig relevanten Index, das Konsumklima. Am besten so wie immer, schließlich hat man ja reichlich investiert.
Auch dagegen rebelliert Fridays for Future – und wer auf einer Demo dabei war, versteht, dass dieser Protest auf Dauer wirken wird. Denn die Wissings und Kubickis sterben irgendwann aus, auch wenn sie es noch nicht wissen. Sie lassen sich hofieren von den Lobbyisten der Wirtschaftsverbände und leisten dafür ihre Arbeit mit der Verkündung des 1. neoliberalen Gebots: Ich zuerst und dann ganz lange nichts.
Doch mit einer entfesselten Marktwirtschaft lassen sich globale Probleme nicht lösen. Auch deshalb muss der Protest laut bleiben. Kassel und Fritzlar machen Mut, die zahlreichen Unterstützer-Organisationen sowieso. Wer die kreativen Protestschilder auf den Demos liest und die Entschlossenheit in den Gesichtern sieht, gibt nicht auf. Auf dem großen Transparent vor dem Kasseler Rathaus steht „Schluss mit dem Geschnuddel. Klimagerechtigkeit!“.