Solardächer für Kartoffeläcker

Die Agri-Photovoltaik-Pilotanlage auf dem Hof Heggelbach am Bodensee. (Foto: Fraunhofer ISE)

Solardächer für Kartoffeläcker und Apfelbäume
– Duale Nutzung landwirtschaftlicher Flächen ist möglich

Ob APV, Agro-PV oder Agri-PV – alle Abkürzungen beschreiben die Technologie, Photovoltaikanlagen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen zu installieren, ohne dass der Ackerbau oder Obstanbau der Solarenergie weichen muss. In den meisten Fällen werden die Solarzellen horizontal mehrere Meter oberhalb der Ackerfläche aufgestellt, sodass die landwirtschaftlichen Geräte darunter durchfahren können.

Mit Agri-PV sollen Solaranlagen großflächig und trotzdem flächensparend ausgebaut werden. Die duale Nutzung von Ackerland könnte auch die CO2-Bilanz des Landwirtschaftssektors verbessern. Über die hier entstehenden Treibhausgase können Sie sich in unserem Artikel „Landwirtschaft und Klimakrise“ informieren.

In Deutschland gibt es seit einigen Jahren verschiedene Pilotprojekte, die wissenschaftlich meist durch das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg, kurz Fraunhofer ISE, begleitet werden. Das Institut meint, dass „Solarenergie langfristig zur wichtigsten Säule der Energieversorgung“ in Deutschland werde. Daher sei es aufgrund der Landnutzungskonkurrenz empfehlenswert, Agri-PV auszubauen und zu fördern.

Seit 2016 befindet sich eine Agri-PV-Pilotanlage auf dem Hof Heggelbach am Bodensee. Hier wird die Energiegewinnung oberhalb einer 0,3 Hektar großen Ackerfläche erprobt, auf der Kleegras, Winterweizen, Sellerie oder Kartoffeln wachsen. Es werden bifaziale Solarzellen eingesetzt, die auch auf der Rückseite eine gewisse Stromerzeugung erlauben. Untersucht werden die Auswirkungen auf die angebauten Ackerfrüchte, das entstehende Mikroklima unter den Solarmodulen sowie die Kosten und Mengen des erzeugten Solarstroms.

Im rheinland-pfälzischen Gelsdorf untersuchen die Wissenschaftler*innen nun erstmalig in Deutschland, wie sich Agri-PV mit dem Apfelanbau verträgt. Für den Einsatz auf Obstplantagen spricht, dass sie in geringerer Höhe angebracht werden können als auf Äckern, da hier kleinere Nutzfahrzeuge unterwegs sind. Außerdem schützen Solarzellen vor Sonnenbrand und Hagel. Sie stellen einen geringeren Eingriff in das Landschaftsbild als herkömmliche Maßnahmen dar, denn Obstbäume werden ohnehin häufig mit Hagelschutznetzen oder Plastikfolien überspannt.

Untersuchungen weltweit zeigen, dass insbesondere trockene und heiße Regionen ihre landwirtschaftlichen Erträge durch Agri-PV sogar steigern können. Für Deutschland bedeutet das einerseits, dass die Agri-PV im sonnigeren Süden am effizientesten ist. Somit müsste übrigens weniger Strom aus Windkraftanlagen im Norden Deutschlands in den Süden transportiert werden. Andererseits ist durch den Klimawandel absehbar, dass auch nördlichere Regionen bald von schattenspendenden Solardächern auf dem Acker profitieren könnten.

Aufgrund der momentan hohen Energiepreise lohnt es sich für Landwirt*innen, die mit Agri-PV gewonnene Solarenergie selbst zu nutzen. Problematisch ist jedoch, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) keine Förderung von Agri-PV vorsieht. Eine weitere große Hürde für den Einsatz der Technologie ist der rechtliche Rahmen: Da landwirtschaftliche Flächen nicht dual genutzt werden dürfen, gehen unter anderem die Agrarsubventionen verloren, wenn Agri-PV-Anlagen aufgebaut werden.

Zusätzlich zu den rechtlichen Anpassungen wären staatliche Subventionen nötig, um Agri-PV in Deutschland zu etablieren. Das zeigt sich in Ländern wie China und Frankreich, die derartige Förderungen auszahlen und in denen sich die Technologie zunehmend verbreitet.

Der derzeitige Aufschwung der Solarbranche in Deutschland sollte von der neuen Ampelregierung in eine ökologisch nachhaltige Richtung gelenkt werden. Denn der Ausbau von Solarenergie ist nicht per se nachhaltig, sondern muss unter Berücksichtigung von Flächenknappheit und fortschreitendem Klimawandel geschehen.

In dem Zusammenhang ist es wichtig, Agri-PV nicht mit Photovoltaik-Freiflächenanlagen (PV-FFA) zu verwechseln. Diese nutzen Flächen ausschließlich für die Gewinnung von Solarenergie und verschärfen dadurch die Flächenknappheit. So kritisieren etwa der NABU und der BUND den Zuwachs an PV-FFA (siehe Linktipps). (bf)

 

Quellen und weiterführende Informationen:

Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (Fraunhofer ISE):
https://agri-pv.org/de/
https://www.ise.fraunhofer.de/de/presse-und-medien/presseinformationen/2019/agrophotovoltaik-hohe-ernteertraege-im-hitzesommer.html
https://www.ise.fraunhofer.de/de/forschungsprojekte/apv-obstbau.html
Leitfaden APV auf Deutsch zum Download: https://www.ise.fraunhofer.de/de/veroeffentlichungen/studien/agri-photovoltaik-chance-fuer-landwirtschaft-und-energiewende.html
Video-Vorstellung des Forschungsprojekts Agrophotovoltaik – Hofgemeinschaft Heggelbach am Bodensee: https://www.youtube.com/watch?v=BlXPf-e1a0U
Video „Was ist Agri-Photovoltaik?“: https://www.youtube.com/watch?v=0P5GCYZ0Rcs&t=25s

Süddeutsche Zeitung:
https://www.sueddeutsche.de/1.4649473

Hofgemeinschaft Heggelbach, Pilotprojekt des Fraunhofer ISE:
https://hofgemeinschaft-heggelbach.de/energie

Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, Projektgruppe Ökolandbau:
https://www.oekolandbau.de/landwirtschaft/betrieb/oekonomie/diversifizierung/agrophotovoltaik-acker-und-solarenergie-optimal-kombinieren/

Bundesministerium für Bildung und Forschung, Projektteam Wissenschaftsjahr 2020/21 – Bioökonomie:
https://www.wissenschaftsjahr.de/2020-21/aktuelles-aus-der-biooekonomie/maerz-2021/photovoltaik-auf-dem-acker-lohnt-sich

NABU:
https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/energie/erneuerbare-energien-energiewende/solarenergie/04300.html

BUND:
https://www.bund-sh.de/fileadmin/sh/Stellungnahmen/2021/2021-03-BUND-STN-Solar-Freiflaechen-Erlass.pdf