Mit der Agrarreform verfehlt die Europäische Union die eigenen Ziele

Die Reform der Mutlosen

Umweltverbände kritisierten den Kompromiss in der Agrarreform als Fortsetzung eines zerstörerischen Subventionsapparates, dem die Agrarindustrie ihren Stempel aufgedrückt hat. Sie ist ein Rückschritt, gemessen an den erforderlichen Veränderungen.

 Den ersten Reformvorschlag der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) präsentierte die EU-Kommission 2018. Die nachfolgende EU Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte den Klimaschutz und die Klimaneutralität zu ihrem obersten Ziel. Viele dachten, dies könnte in einer neuen EU-Agrarpolitik erkennbar werden, darum setzten Umwelt- und Klimabewegungen große Hoffnung in den verkündeten Green Deal. In Folge gab es neue Verhandlungen über eine nachhaltigere und grünere Landwirtschaft mit mehr Natur -und Tierschutz, weniger Düngemitteleinsatz, weniger Massentierhaltung und weniger CO2.

Dreieinhalb Jahre Ringen und Streit im EU-Parlament beendete man nun mit der Verabschiedung der EU Agrarreform. Herausgekommen ist ein Kompromiss, für mehr hat es nicht gereicht, heißt es aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium. Nach dem EU-Parlament müssen jetzt noch die Mitgliedstaaten zustimmen, was als Formsache gilt. Die Reform tritt dann 2023 in Kraft.

Die Grünen-Fraktion, deutsche SPD-Abgeordnete und Abgeordnete der Linkenfraktion hatten zuvor angekündigt, gegen die Reformpläne zu stimmen, trotzdem war eine Mehrheit im Parlament sicher. Vor allem Konservative (EVP) und Christdemokraten stimmten dafür. Der agrarpolitische Sprecher der Grünen im EU-Parlament, Martin Häusling, sprach von einem „schwarzen Tag für die Bauern in Europa“. Er kritisierte, dass sich von der EU beschlossene Klimaschutzmaßnahmen wie der Green Deal und die Strategie “Vom Hof auf den Tisch“ (Farm-to-Fork) nicht in der GAP wiederfänden.

Es geht um viel Geld, fast 387 Milliarden Euro an Subventionen werden in den kommenden sieben Jahren verteilt. Tatsächlich geht es aber um mehr, es geht um die Zukunftsfähigkeit der Nahrungsmittelproduktion. Die mächtige Lobby der industriellen Landwirtschaft und die Mitgliedstaaten haben erbittert dafür gekämpft, dass es in den nächsten sieben Jahren nahezu unverändert weitergeht. Es bleibt ein Geheimnis, wie die EU-Kommission mit so viel Freiwilligkeit und ohne eine drastische Begrenzung der Tierzahlen die Klimaneutralität erreichen will.

Nur ein Viertel der zu verteilenden Gelder sind künftig an Umweltauflagen gebunden. Zu wenig, sagen Kritiker, es bleibt lediglich bei Anreizen für grünere Landwirtschaft, die Mindestanforderungen für den Empfang von Subventionen seien nicht klar definiert. Nach wie vor wird mit der Gießkanne verteilt nach dem Prinzip, wer viel hat, bekommt viel. Das heißt, auch in Zukunft erhalten alle, die Ackerland oder Grünland bewirtschaften, die EU-Flächenprämien – auch Großkonzerne. Das verschärft die Entwicklung zur Agrarindustrialisierung. Die Chancen für einen sinnvollen Wandel für das Klima, die biologische Vielfalt und die Kleinbauern ist vertan.

Kein Grund zum Feiern, finden Umweltverbände und sprechen von Scheinpolitik und „Weiter so“. Die noch geschäftsführende Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner sieht die Reform dagegen als Meilenstein und Durchbruch und äußert sich vollmundig: „Es ist ein Systemwechsel, den wir hier eingeläutet haben.“ Jeder, der Klöckner kennt, dürfte daran Zweifel haben. Viel Kritik gibt es auch für die zweijährige Übergangsfrist, die die osteuropäischen Staaten durchgesetzt haben.

Das EU-Parlament hat die Aussicht für eine dringend erforderliche Agrarwende verspielt. Martin Häusling betont enttäuscht: „Jetzt können nur noch die Mitgliedsländer heilen, was man auf EU Ebene versäumt hat, aber das wird sich auch als Fehlgriff erweisen.“

In Deutschland ist jetzt der Blick nach Berlin auf das zukünftige Agrarministerium gerichtet. Um die Interessen der nachfolgenden Generationen zu schützen, muss sich der neue Agrarminister gegen den Einfluss des Bauernverbandes und gegen das konservative Lager durchsetzen. Eine Herkulesaufgabe. (mk)