Neue Gentechnik killt Bio-Branche

Sie informierten und diskutierten über die weitreichenden Brüsseler Pläne: Sven Lorenz (Vorstand Milcherzeugergemeinschaft), Heike Moldenhauser (ENGA), Karin Artzt-Steinbrink (Geschäftsführerin Upländer Bauernmolkerei)

Upländer Bauernmolkerei informiert zu Brüsseler Plänen

Alarmstufe Rot für die Bio-Branche. Allerdings ist der Sachverhalt nicht ganz einfach zu verstehen und auch deshalb hatte die Upländer Bauernmolkerei Mitte November eine Expertin aus Brüssel eingeladen, die zum Thema Gentechnik und der geplanten Deregulierung referierte. Heike Moldenhauer ist Generalsekretärin der ENGA* und somit Lobbyistin für die Bio-Branche, also die Landwirtschaft und die Betriebe, die gentechnikfreie Produkte verarbeiten.

Die Upländer Bauernmolkerei gehört natürlich dazu und im Laufe der Veranstaltung erzählte Karin Artzt-Steinbrink, Geschäftsführerin der Molkerei, mit welchen Schwierigkeiten der Betrieb im Jahr 2005 zu kämpfen hatte, bis es schließlich zur Einführung des „Ohne GenTechnik“-Siegels kam. Heute wird etwa 80 % der deutschen Milch gentechnikfrei angeboten.

Ob es mit dieser positiven Entwicklung weitergeht, ist fragwürdig, wenn die Vorschläge der EU wirklich umgesetzt werden sollten. Die Brüsseler Referentin erklärte zunächst die begrifflich etwas sperrigen Sachverhalte. Es geht um die „alte“ Gentechnik, die Transgenese und die neuen Methoden der Mutagenese mittels Genschere. Die daraus entstandenen NGTs (new genomic techniques) erhalten eine eigene Gesetzgebung. Womit das Problem beginnt.

Denn mit den unterschiedlichen Regulierungsstandards dieser zwei Kategorien in Bezug auf Sicherheitsprüfungen und Transparenz wird es für Verbraucher praktisch unmöglich, weiterhin auf gentechnisch veränderte Lebensmittel zu verzichten. In die neue Kategorie 1, die als äquivalent zu konventioneller Züchtung gilt, fallen 94 % aller Lebensmittel. Sie dürfen bis zu 20 genetische Veränderungen enthalten. Damit sind hochkomplexe genetische Veränderungen möglich. Unerwünschte Effekte werden dabei nicht untersucht. Im Klartext: Es gibt auch keine Risikobewertung.

Hier müssen sich eigentlich schon bei jedem Naturschützer die Nackenhaare sträuben, denn es werden Organismen auf die Natur losgelassen, deren (Neben-)Wirkung in der Zukunft unbestimmt bleibt. Zudem fehlen in der Kategorie 1 ein Nachhaltigkeitscheck, Nachweisverfahren sowie die Möglichkeit, nationale Anbauverbote zu erlassen.

Bleiben die 6 % gentechnisch veränderter Lebensmittel, die weiterhin reguliert werden. Doch der Schaden für die Bio-Branche ist noch nicht absehbar. Denn im Klartext bedeutet dies, dass das Vertrauen in Lebensmittel erheblich geschwächt wird. Letztlich gerät Gentechnik unkontrolliert ins Saatgut und natürlich damit auch auf unsere Teller.

Nun liegt der Vorschlag beim Agrarrat der EU, dort sind die Agrarminister aller EU Staaten vertreten. Bis Ende diesen Jahres wird der Rat einen Bericht oder eine gemeinsame Position vorlegen. Der spanische Ratspräsident drängt zur Eile. Kein gutes Zeichen, dann Spanien ist das Land, in dem schon seit Jahrzehnten gentechnisch veränderter Mais („Bt Mais“) angebaut wird. Özdemir als deutscher Vertreter im Rat positioniert sich nicht klar.

Schlimm ist, dass die europäische Rechte auch dieses Thema nutzt, um die verhasste vermeintlich „grüne“ Politik bzw. grüne Bedenken zu torpedieren. Die EVP, in der auch die CDU/CSU organisiert ist, polemisiert ähnlich, wie das beim Renaturierungsgesetz geschehen ist. Es geht nicht um den Erhalt unserer Lebensgrundlagen, sondern um ein stures Weiter-so plus einem blinden Fortschrittsglauben. Motto: Wir machen das jetzt mal (weil es unserer Klientel Profite beschert) und zukünftige Generationen werden schon eine Lösung finden.

Das Bundesumweltministerium hatte noch im letzten Jahr eine klare Ansage auf seiner Webseite veröffentlicht. Darin hieß es u.a. „Auch auf sich verändernde klimatische Bedingungen ist Neue Gentechnik keine Antwort, auch wenn das oft angeführt wird. Standort-angepasstes Wirtschaften und vielfältige Kulturen bei Züchtung und Anbau machen die Landwirtschaft vielfältiger und widerstandsfähiger gegen Wetterextreme, Schädlinge und Krankheiten. Gleichzeitig werden mit diesem Ansatz Klima, Böden und Biodiversität geschont – und so mehrere Krisen gleichzeitig adressiert.“

* ENGA ist die Kurzform von European Non-GMO Industry Association (Non-GMO = Nicht modifizierte Organismen). Die ENGA ist somit der Dachverband der gentechnikfreien Lebensmittelverarbeiter.

Quelle: https://www.bmuv.de/meldung/neue-gentechnik-risikopruefung-und-kennzeichnungspflicht-muessen-erhalten-bleiben