Gülle in Deutschland: Zuviel ist zuviel.

Eigentlich wertvoller Dünger, doch zuviel ist zuviel. Durch Massentierhaltung wird mehr Gülle produziert, als auf Äcker verteilt werden. „Keime auf Achse“ nennt das eine neue Greenpeace-Studie zum Gülletourismus. Zwar haben wir in Nordhessen noch keine niedersächsischen Verhältnisse, doch auch hier herrscht in vielen Ställen qualvolle Enge für die Tiere.

190 Millionen Kubikmeter Gülle fallen jährlich in Deutschland an – und was zuviel ist, ist zuviel. Eigentlich ist der darin enthaltende Stickstoff ein wertvoller Dünger für Pflanzen. Doch durch Überdüngung ist nicht nur unser Trinkwasser mehr und mehr mit Nitrat belastet (wofür gewaltige Strafzahlungen an die EU wegen Überschreitung von Grenzwerten drohen). Eine aktuelle Greenpeace-Studie hat jetzt gezeigt, dass Gülle aus der Massentierhaltung extrem oft multiresistente Keime enthält und immer Antibiotikarückstände. Diesen landen dann z.B. aus der niedersächsischen Massentierhaltung auf allen möglichen Äckern in Deutschland.

Nitrat im Boden steigert die Erträge, doch was von den Pflanzen nicht aufgenommen werden kann, landet im Wasser oder in der Luft. Nicht nur das Trinkwasser wird dadurch belastet, das überflüssige Nitrat wird auch in Bäche oder Flüsse und von dort sogar ins Meer geschwemmt. Algenteppiche – und damit im Extremfall Fischesterben – in Meeren sind die Folge.

 

Naturgemäß wehren sich die großen Bauernverbände mit ihrem starken Einfluss auf Medien und Politik und melden sich zu Wort. Gerade in der Schweinehaltung sei der Antibiotikaverbrauch deutlich zurückgegangen, kritisiert die Interessengemeinschaft Deutscher Schweinehalter (ISN) die Greenpeace-Studie. Wie so oft werden hier die Zahlen genannt, die erstmal gut klingen. Landvolk-Präsident Albert Schulte to Brinke erklärt in Land&Forst (Eigenwerbung: „Die Stimme der Landwirtschaft. Seit Generationen.“): „Es ist sehr viel unternommen worden in den vergangenen Jahren. Der Einsatz von Antibiotika zum Beispiel ist innerhalb von zehn Jahren um 60,7 Prozent zurückgegangen.“

Doch es geht eben auch ganz besonders um die sog. Reserveantibiotika wie Colistin. Für kranke Menschen ein lebensnotwendiges Mittel, wie z.B. eine Reportage von Frontal21 zeigt. Darin erleben wir aber auch einen Tierarzt, der etwas von Nachhaltigkeit faselt, wenn man komplette Stallbestände mit Colistin behandelt, um so die Mortalitätsrate zu senken. Massentierhaltung als solche in Frage zu stellen bzw. als Ursache zu benennen, kommt diesem Herrn nicht in den Sinn. Schließlich gäbe es ja auch die Konkurrenz aus dem Ausland. Die alte Leier: Wir können halt nicht anders.

Immer wieder hat Greenpeace durch unabhängige Labore Antibiotika-Rückstände in Gülle nachweisen können. So auch nun wieder in der am 18. November veröffentlichen Studie mit dem Titel  „Keime auf Abwegen. Wie Gülletransporte antibiotikaresistente Keime und Antibiotikarückstände verbreiten“.

Es ist so banal, man mag es kaum noch sagen: Natürlich ist die viel zu hohe Tierdichte in Deutschland das Problem – und auch die Lösung liegt auf der Hand. Der Fleischkonsum muss zumindest gedrosselt werden, vor allem aber muss die verantwortungslose Orientierung am Weltmarkt und der Wahnsinn, immer noch mehr und noch billiger Fleisch für den Export zu produzieren, gestoppt werden.

Würden die Betriebe nur so viele Tiere halten, wie sie mit auf eigener Fläche produzierten Futtermitteln versorgen können, wäre das eine Kreislaufwirtschaft, die auch umweltverträglich ist.

Dann würde auch der Einsatz von Antibiotika in der Tiermedizin radikal reduziert werden: zur Zeit sind es 722 to jährlich, davon 74 to Colistin. Nicht nur bei den sklavenartigen Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen zeigt sich: Massentierhaltung ist ein Übel für die Tiere – und für die Menschen.


Webseite von Greenpeace mit gut verständlichem Beitrag zum Thema:
https://www.greenpeace.de/themen/landwirtschaft/keime-auf-achse

Die Studie Keime auf Abwegen und Forderungen auf übersichtlichen 12 Seiten als PDF zum Download:
https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/publications/s03331_gp_studie_keime_auf_abwegen.pdf

Zum Thema Reserveantibiotika auch ein Beitrag über eine Studie von Germanwatch auf dieser Webseite: https://aga-nordhessen.de/profitgier-auch-wenn-es-menschenleben-kosten-kann/


Quellenangaben (alle gesehen am 24.11.2020):

Fotos in diesem Beitrag: Alf Dickhaut

Frontal21 zu Colistin:
https://www.zdf.de/politik/frontal-21/antibiotikaresistente-keime-in-guelle-100.html

Land&Forst
https://www.landundforst.de/niedersachsen/oldenburg-oldenburger-muensterland/cloppenburg-streit-um-guelle-greenpeace-563585