Am Agrar-Umbau führt kein Weg vorbei. Denn unzufrieden sind alle.
Noch nie zuvor haben Umweltgruppen und Bauernvertreter gemeinsam im Auftrag der Regierung einen Bericht über die Zukunft verfasst. Dieser Bericht erkennt an, dass die deutsche Landwirtschaft jährlich 90 Milliarden Euro an ökologischen Folgekosten erzeugt. Kosten durch Klimaschäden, belastetes Grundwasser, Luftverschmutzung und den Verlust der biologischen Vielfalt, um nur einige Beispiele zu nennen. Diese Kosten werden bisher von der Allgemeinheit getragen.
Im September 2020 trafen zum ersten Mal 30 Experten und Interessenvertreter aus ganz unterschiedlichen Bereichen (Agrarbranche, Wirtschaft, Wissenschaft, Umwelt-, Verbraucher – und Tierschutz) zusammen, um als gemeinsames Gremium den Plan für eine zukunftsfähige Landwirtschaft zu erarbeiten. Vorausgegangen waren Proteste der Landwirte, angesichts dringend erforderlicher Regulierungen. Bei einem Agrardialog im Kanzleramt wurde der Beschluss gefasst, die „Zukunftskommission Landwirtschaft“ (ZKL) ins Leben zu rufen.
Der Weg zu einem gemeinsamen Ergebnis war alles andere als leicht und von kontroversen Debatten begleitet. BUND und NABU haben dafür weitgehend auf Forderungen verzichtet. Nach monatelanger engagierter Mitarbeit hatte sich Greenpeace im März diesen Jahres aus der Kommission zurückgezogen, da die Arbeit der Kommission nach deren Auffassung offensichtlich nur dazu diene, die Verzögerungs- und Ankündigungspolitik von Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner (CDU) zu kaschieren. Das Bundeslandwirtschaftsministerium wies den Vorwurf der Umweltschützer zurück.
Seit dem 29. Juni gibt es nun ein einstimmiges Ergebnis, ihren Abschlussbericht hat die ZKL inzwischen der Bundeskanzlerin überreicht. Er macht deutlich, wie wichtig eine große Transformation im Agrar- und Ernährungsbereich ist und enthält die Empfehlung für einen grundlegenden Wandel des Agrarsystems: Weg von der Massenproduktion, hin zu einer gemeinwohlorientierten Landwirtschaft, für mehr Klima- und Umweltschutz und mehr Tierwohl. Erreichen will man das durch die Umverteilung der Agrarsubventionen. Zahlungen sollen nicht mehr an Flächen, sondern an Umweltleistungen gebunden werden. Bei den umstrittenen neuen Gentechnikverfahren hat sich die ZKL klar für das Vorsorgeprinzip und die daran ausgerichtete Regulierung ausgesprochen, denn nur damit ließe sich die Wahlfreiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher gewährleisten.
Auch geht die ZKL davon aus, dass sich die Ernährungsgewohnheiten ändern müssen. „Die Ernährung wird künftig mehr auf Pflanzen basiert sein,“ sagte der Vizepräident des Bauernverbandes (DBV), Werner Schwarz, „aus diesem Grund wird auch die Tierhaltung stark zurückgehen.“ Eine solche Aussage aus dem Mund des DBV Vize klingt ungewohnt. Doch was heute noch völlig fremd klingt, könnte morgen schon Wirklichkeit sein. Bei aller Genugtuung über „neue Einsichten“ und breitem Konsens: Nach einer konkreten Empfehlung zur Abkehr von der am Export und am Weltmarkt orientierten Landwirtschaft sucht man im Abschlussbericht vergeblich. Und gerade diese Fixierung auf hohe Erträge bei geringen Kosten ist ein wesentlicher Grund für ökologische Schäden.
Mit Blick auf die nachfolgenden Generationen darf es kein „Weiter so“ geben. Auf EU Ebene wurde lange und ausgiebig über eine gemeinsame Agrarpolitik gestritten, man einigte sich schließlich halbherzig auf die Einführung der sogenannten Eco-Schemes. Diese Öko-Regelungen bedeuten aber nur einen Hauch von Veränderung, denn für einen wirklichen Wandel braucht es mehr. Diesen Weg muss die Bundesregierung nun konsequent weiter gehen.
Kanzlerin Merkel ist der Auffassung, das Ergebnis der ZKL sei ein eindeutiger Auftrag für einen Kurswechsel an die nächste Bundesregierung. Auch Julia Klöckner muss endlich realisieren, dass Agrarpolitik mehr ist als Partikularinteressen des Bauernverbades zu bedienen. Was in der Landwirtschaft passiert (und was nicht), betrifft immer auch volkswirtschaftliche und damit gesamtgesellschaftliche Interessen. Leider kam der Bericht viel zu spät, als dass er seine Wirkung auf die Verhandlungen zur GAP hätte entfalten können. Hätte Frau Klöckner wirkliche Veränderung gewollt, so hätte sie während ihrer Amtszeit genügend Möglichkeiten gehabt, die zahlreichen wissenschaftlichen Gutachten zu beherzigen. Statt diesen Rückenwind zu nutzen, stand sie fest mit dem Fuß auf der Bremse.
Auch der Bauernverband weiß nur zu gut, dass es aufgrund der EU-Agrarreform in den nächsten Jahren nicht zu allzu großen Veränderungen kommen dürfte. Die Mehrheit der europäischen Landwirte wird also erst einmal weiterwirtschaften wie bisher. (mk)
https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Bodenschutz/zkl_abschlussbericht_bf.pdf
Greenpeace-Presseerklärung zum Ausstieg aus der Zukunftskommission