Biosprit hat mit „bio“ im Grunde nichts zu tun
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hat einen Gesetzentwurf zum sogenannten Agrosprit vorgelegt, in dem der schrittweise Verzicht auf Biokraftstoffe vorgesehen ist, die aus Pflanzen für Nahrungsmittel und Tierfutter gewonnen werden. Die aktuelle Obergrenze für eine Beimischung von Biokraftstoffen liegt bei 4,4 Prozent. Im nächsten Jahr soll dieser Anteil um nahezu die Hälfte auf dann 2,3 Prozent gesenkt und dann stufenweise bis 2030 auf null reduziert werden. Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, geht noch weiter und fordert, „Agrokraftstoffe mit sofortiger Wirkung vollständig und dauerhaft aus der Förderung zu nehmen“.
Mit dem Ziel den Verkehr klimafreundlicher zu gestalten wurde 2007 die Biokraftstoffquelle eingeführt. Die Einhaltung der Treibhausgasminderungsquote, zu der die Mineralölindustrie seit 2015 verpflichtet ist, kann mit Biosprit aus Nahrungs- und Futtermittelproduktion erfüllt werden. Dazu werden Pflanzen wie Weizen, Roggen, Mais und Rüben zu Ethanol verarbeitet und Benzin beigemischt oder Pflanzenöle, etwa aus Raps und Soja, dem Dieselkraftstoff zugefügt. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) ist gegen Lemkes Pläne. Er setzt zur Erreichung der Klimaziele stark auf den Einsatz von Biosprit. „Der Verzicht auf Biokraftstoffe würde zu einer signifikanten Erhöhung der CO₂-Emissionen im Verkehrssektor führen und steht damit im Widerspruch zu der erklärten gemeinsamen Absicht der Bundesregierung, die Klimaschutzziele einhalten zu wollen“, so Wissing. Warum er am Biosprit festhält, ist einfach erklärt, denn der Rückstand beim Klimaschutz in seinem Ressort ist beachtlich. Rund 20 Prozent des CO2 – Ausstoßes sind auf den Autoverkehr zurückzuführen. Eine einfache, aber wirkungsvolle Maßnahme den CO2-Ausstoß zu mindern, wird jedoch vehement seitens des Verkehrsministeriums verhindert: die Einführung eines Tempolimits.
Der Anbau von Pflanzen für Biosprit hat mit „bio“ im Grunde nichts zu tun. Die Pflanzen wachsen meist in stark mit Stickstoff gedüngten und mit Pestiziden behandelten Monokulturen. Je mehr Agrosprit weltweit produziert wird, desto offensichtlicher werden die Probleme.
Auch zahlreiche Studien, unter anderem im Auftrag der EU, belegen, dass der Kraftstoff aus Ackerpflanzen die Klimakrise weiter anheizt. So werden für den Anbau der Energiepflanzen bisher unbearbeitete Flächen neu erschlossen oder gar Wälder gerodet. Damit werden natürliche Ökosysteme zerstört, die CO2 binden und für den Erhalt der Artenvielfalt unverzichtbar sind. Allein in Deutschland dienen 5 Prozent der Ackerflächen der Agrospritproduktion.
Das Argument der Agrarlobby, für die Herstellung von Biosprit kein hochwertiges Getreide zu nutzen, taugt wenig. „Tatsächlich entzieht die Biospritindustrie riesige Mengen verzehrstauglichen Getreides dem Lebens- und Futtermittelmarkt. Die Grenze, was davon für den menschlichen Verzehr (Brotherstellung) bestens geeignet ist und dem, was eher von Tieren gefressen wird, ist fließend“, so Martin Hofstetter, agrarpolitischer Sprecher von Greenpeace. Allein aus Ernten in Deutschland werden jährlich etwa zwei Millionen Tonnen Getreide und eine Millionen Tonne Pflanzenöl zu Biokraftstoffen verarbeitet. Damit ließen sich im Jahr rund zwei Millionen Brote backen und fast zwei Drittel des Speiseölverbrauchs in Deutschland abdecken.
Das Problem geht natürlich weit über die Grenzen hinaus. Der hohe Flächenverbrauch für den Anbau von Energiepflanzen ist mit verantwortlich für die Zerstörung von Urwäldern und steigende Lebensmittelpreise. „Nur durch eine weltweite Ausdehnung des Ackerbaus kann der zusätzliche Bedarf gedeckt werden. Indirekt führt das dann etwa in Indonesien oder Argentinien zur Zerstörung von Naturwäldern und Savannen“, mahnt Hofstetter. Da Pflanzen zur Ethanolherstellung nicht auf frisch gerodeten Flächen angebaut werden dürfen, findet einfach eine Umnutzung statt: Pflanzen zur Gewinnung von Ethanol für europäische Autotanks werden dann eben auf bereits landwirtschaftlich erschlossenen Flächen angebaut. Agrosprit zu importieren kann also heißen, den Hunger in anderen Teilen der Welt zu befeuern.
Quellen:
https://www.greenpeace.de/klimaschutz/mobilitaet/biosprit-umweltpolitischer-unfug
https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/lemke-will-biosprit-abschaffen-18614549.html