Moorfrösche am Niederrhein. (Foto: H. Ulrich Hoppe)
Moore retten für den Klimaschutz
Mit nasser Landwirtschaft und neuen Chancen für alte Pflanzen
Das „Schweinsberger Moor“ im Amöneburger Becken ist das letzte Niedermoor im nord- und mittelhessischen Raum. Versuche zu Beginn des letzten Jahrhunderts dieses Moor, wie so viele andere, trockenzulegen, sind misslungen – zum Glück. Heute weist es die für intakte Moore typische Artenvielfalt auf. Rohrweihe, Wasserralle, Bekassine, Blaukehlchen und Wassergreiskraut sowie verschiedene Seggenarten sind hier zu finden.
Moore bieten Hochwasserschutz, indem sie Grundwasser aber auch zuströmendes Quell- und Niederschlagswasser zurückhalten. Sie filtern und reinigen zuströmendes Wasser und sorgen so für gute Trinkwasserqualität. Allein das zeigt, wie wertvoll Moore für den Umweltschutz sind. Dass Moore tief und abgründig sind, ist uns allen durch gruselige Moorgeschichten bekannt. Dass genau darin ihr Nutzen für das Klima liegt, wissen nur wenige: Moore speichern doppelt so viel Kohlenstoff wie alle Wälder der Welt, obwohl sie nur drei Prozent der Erdoberfläche bedecken. Sie wirken klimakühlend, genauso klimakühlend wie Tropenwälder in Südamerika oder Nadelwaldregionen in Kanada.
Seit Jahrhunderten werden Moore trockengelegt und uralte Torfschichten werden in wenigen Stunden abgebaut und zu Blumenerde verarbeitet. Wie bei der Abholzung der Tropenwälder ist intensive landwirtschaftliche Nutzung stets das Ziel. In beiden Fällen werden Ökosysteme zerstört und nur wenige große Konzerne profitieren. Jedoch geben die vielen Kleinbauern, die durch die Regenwaldabholzung ihre Existenz verlieren, der Zerstörung ein Gesicht. Trockengelegte Moore haben diese Lobby nicht, niemand leidet – auf den ersten Blick. Die auf der Fläche entstehende fruchtbare, landwirtschaftliche Nutzfläche wird sogar subventioniert. Aber die Erde erwärmt sich spürbar schneller und große Artenvielfalt geht verloren, wenn nicht gegengesteuert wird.
In Deutschland sind mehr als 90 Prozent der Moore trockengelegt, die jährlich etwa 50 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid emittieren. Zusätzlich entweichen aus drainierten Mooren große Mengen an Lachgas und Methan. Diese Flächen tragen also erheblich zum Klimawandel bei, unter dem dann wiederum noch intakte Moore leiden. Gerade Hochmoore, die vom Niederschlag abhängen, können mehr und mehr verwalden. Die aufwachsenden Bäume und Sträucher entziehen dem Boden zusätzlich Wasser. Moorbrände werden häufiger, bei denen große Mengen CO2 freigesetzt werden.
Wir müssen den Mooren helfen, wenn wir die Klimaziele erreichen wollen. „Moor muss nass!“ fordern Forscherinnen und Forscher. So befasst sich das „Greifswald Moor Centrum“ deutschlandweit federführend mit Lösungen. Vor allem versuchen sie die land- und forstwirtschaftliche Nutzung wiedervernässter Böden, die Paludikultur, zu etablieren. Im Herbst 2021 tourte das „Paludi-Tiny House“ des Centrums durch Norddeutschland, um anschaulich zu machen, wie Moorpflanzen verwendet werden können. Das Tiny House ist gedämmt mit Rohrkolben, Schilf dient als Schallschutz, die Paneele sind aus Schwarzerle gefertigt – alles Pflanzen und Bäume, die nachhaltig auf Moorflächen angebaut werden können.
Nicht nur Gebäudedämmung mit nachwachsenden Rohstoffen, die noch dazu kompostierbar sind, ist zukunftsträchtig. Auch für ökologische Verpackungen können Moorgewächse angesichts des zunehmenden Versandhandels genutzt werden. Das bislang einzige Heizwerk in Deutschland, das Schilf und andere Sumpfpflanzen verwertet, liegt in Malchin in Mecklenburg-Vorpommern. In einer Biogasanlage, ebenfalls in Mecklenburg-Vorpommern, entsteht Methan aus verrottendem Schilf. Die Anlage kann 2.000 Haushalte mit Strom versorgen und die Gärreste werden als Dünger verwendet.
Torfmoose werden bereits an einigen Standorten erfolgreich kultiviert und als Substrat für den Gartenbau verwendet. Torfabbau zu dem gleichen Zweck kann so verhindert werden. Selbst Arzneipflanzen wie Sonnentau lassen sich im Moor anbauen, sogar direkt in Kombination mit Torfmoosen. In Bayern und in Norddeutschland grasen jetzt Wasserbüffel auf einigen wiedervernässten Weiden. Die robusten Tiere sind perfekt an das Leben in Moorgebieten angepasst und ernähren sich u.a. von Schilf, Disteln und Seggen. Landwirtinnen und Landwirte können Büffelmilch und -fleisch gut vermarkten.
All das ist sehr vielversprechend, auch aus der Perspektive eines nach Gewinn strebenden landwirtschaftlichen Betriebes. Trotzdem sind die Anreize, auf Paludikultur umzustellen, für Landwirt/innen derzeit zu gering und die Hürden zu hoch. Bäuerinnen und Bauern bewirtschaften also weiter intensiv nährstoffarme, entwässerte Moorböden, weil allein schon die Wiedervernässung der Flächen einen hohen Aufwand erfordert.
Zahlreiche Entwässerungsgräben müssen aufgestaut werden, damit das Wasser langsam wieder in die ehemaligen Moorflächen gedrückt wird. An anderer Stelle werden Flächen eingedeicht und durch Pumpsysteme aus naheliegenden Gewässern nass gehalten. Es braucht spezielles Gerät, um die nassen Flächen zu bearbeiten. Das kann ein einzelner landwirtschaftlicher Betrieb nicht finanzieren.
Direktzahlungen der EU gibt es für Paludikulturen nicht. Die EU-GAP subventioniert aber nach wie vor konventionell genutzte, trockengelegte Moore, die enorm klimaschädlich sind. Die Klimafolgekosten übersteigen die Fördermittel um ein Vielfaches. Paludikultur hingegen ermöglicht die Einsparung von Emissionen bei gleichzeitiger land- und forstwirtschaftlicher Nutzung der wiedervernässten Flächen. „Nasse Landwirtschaft“ kann gerade in dünn besiedelten Regionen nachhaltige Wirtschaftsmethoden stärken und Arbeitsplätze schaffen.
Wissenschaftler fordern, bis 2050 jährlich 50.000 Hektar trockengelegte Moorflächen wieder zu vernässen. Jedoch wird Klimaschutz noch immer in erster Linie im Verkehrs- und Energiebereich gefördert. Dabei könnten Moore risikoarm und kosteneffizient Kohlendioxidemissionen einsparen: Es ist keine technische Infrastruktur wie bei der Errichtung von Windrädern nötig. Nachwachsende Rohstoffe, die Moore hervorbringen, können zur Energiegewinnung oder als Baustoffe eingesetzt werden, wie die Beispiele aus Mecklenburg-Vorpommern zeigen. Und nicht zu vergessen – Moorschutz fördert die Biodiversität. Hochwasserschutz, Landschaftskühlung und Gewässerschutz werden gleich mitgeliefert. Es gilt: „Moor muss nass“! (sf)
Quellen und weiterführende Informationen:
https://www.bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/pflanzenbau/bodenschutz/boden-moor.html
https://www.deutschlandfunk.de/schutz-der-moorboeden-wasserbueffel-statt-mais-100.html
https://www.energiewendebauen.de/projekt/de/mit_rohrkolben_nachhaltig_und_effektiv_daemmen
https://www.greifswaldmoor.de/informationspapiere.html (Informationspapier: „2019: Moorbodenschutz als naturbasierte Lösung im Klimaschutzprogramm 2030“)
https://www.moorwissen.de/de/moore/tools/moore_deutschland.php
https://pflanzen.fnr.de/projekte/torfmoos/
https://www.planet-wissen.de/natur/landschaften/lebensraum_moor/paludikultur-100.html
https://www.spektrum.de/magazin/paludikultur-nasse-landwirtschaft/1950061
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