Ernährung im Wandel

Dr. Conrad am AGA-Infotisch mit dem neuen Reportagenband „Geschichten aus Nordhessen“

Johanna Conrad (DGE) über gesundheitliche Auswirkungen verschiedener Ernährungsweisen

Ein Vortrag im Rahmen der Witzenhäuser Konferenz

Matthias Lenders vom Organisationsteam der Witzenhäuser Konferenz kam direkt zur Sache und zitierte zur Begrüßung der Veranstaltung aus dem Buch Wir sind das Klima des Bestsellerautors Jonathan Safran Foer, das den sarkastischen Untertitel Wie wir unseren Planeten schon beim Frühstück retten können trägt. Darin heißt es:

An irgendeinem Punkt muss das, was einen ganz allein betrifft, sich mit dem Umstand überschneiden, dass man einer von sieben Milliarden Erdlingen ist. … Der Klimawandel ist die größte Krise, der die Menschheit jemals gegenüberstand, eine Krise, die wir nur gemeinsam angehen können und die jeden von uns ganz allein betrifft. … Wir können nicht unsere vertrauten Mahlzeiten und zugleich unseren vertrauten Planeten behalten. Eines davon müssen wir aufgeben. So einfach und so schwierig sieht es nun mal aus. Wo waren Sie, als Sie sich entschieden haben?“

Zur Einstimmung stellten die Konferenzmacher:innen launig acht Ernährungsformen vor von vegetarisch über chinesisch, ayurvedisch, vegan bis hin zu Varianten mit Misch-, Roh- oder Trennkost.

Die Realität deutscher Speisepläne wurde dann von Dr. Johanna Conrad referiert. Sie ist Ernährungsepidemiologin und leitet das Wissenschaftsreferat bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) in Bonn. Die DGE gibt lebensmittelbezogene Ernährungsempfehlungen für Deutschland heraus. Conrad stellte das im letzten Jahr veröffentlichte Positionspapier der DGE zur nachhaltigeren Ernährung vor.

In ihrem Vortrag beleuchtet Frau Conrad verschiedene Ernährungsweisen sowie deren Auswirkungen auf die Gesundheit. Es wird ebenfalls die Evidenzeinteilung beurteilt. Dabei merkte sie an, dass die verschiedenen Ernährungsweisen in Studien teilweise schwer abzubilden sind und eine kontinuierliche Fortschreibung der Erhebungen notwendig sei, was durch die Pandemie nicht immer möglich war.

Wenig überraschend und doch wichtig ist das Fazit, dass die Gesundheit allgemein durch Ernährung stark beeinflusst wird (siehe nachfolgendes Interview ). Die üblichen Verzehrmuster der Bevölkerung weichen allerdings  von den Ernährungsempfehlungen der DGE oft erheblich ab.

Weitere Informationen zu diesen Empfehlungen: https://www.dge.de/ernaehrungspraxis/nachhaltige-ernaehrung/lebensmittelbezogene-ernaehrungsempfehlungen/

Kochkompetenz nimmt weiter ab

Interview mit Dr. Johanna Conrad, Deutsche Gesellschaft für Ernährung

Nach dem Vortrag hatten wir Gelegenheit, mit Frau Dr. Conrad ein Gespräch zu führen über Ernährungsgewohnheiten in Deutschland.

Interview Liane Lösekamm

AGA-Nordhessen: Gibt es einen dauerhaften Trend zu weniger Fleischkonsum in Deutschland?

Dr. Johanna Conrad: Tendenziell nimmt der Fleischverbrauch in Deutschland ab. Im Vergleich dazu entspräche der Orientierungswert der DGE von nicht mehr als 300 – 600 g Fleisch und Wurstwaren pro Woche einem Fleischverzehr von rund 31 kg pro Jahr. Der derzeitige Verbrauch liegt also immer noch deutlich darüber.

Stimmt es, dass Kochen – also das Zubereiten von Mahlzeiten aus ursprünglichen Zutaten – eine Fähigkeit ist, die kontinuierlich abnimmt? Hält der Trend zu Conviniencefood an?

Dr. Conrad: Tatsächlich zeigt es sich, dass die Koch-Kompetenz immer weiter abzunehmen scheint und dass die Leute zuhause immer weniger selbst kochen. Ein Grund hierfür kann sein, dass diese Fähigkeit früher mehr von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Und dies fehlt tatsächlich heute einfach auch durch die Mobilität von Familien. Man wohnt oft nicht mehr so nah beieinander, mit den Großeltern zum Beispiel. Aber auch das Lebensmittelangebot hat sich stark verändert. Heute gibt es immer mehr Convinience-Produkte im Handel, die den Menschen einerseits Zeit sparen und andererseits das Kochen auch erleichtern. Hinzu kommt das große Angebot der Außer-Haus-Gastronomie. Es ist davon auszugehen, dass der Trend zu Convenience-Produkten auch in der AHV-Verpflegung weiter anhalten wird, nicht zuletzt durch den Fachkräftemangel.

Ist von sogenannten Fleischersatzprodukten (Schnitzel, Würstchen etc.) abzuraten wegen der häufig tatsächlich oder angenommenen zahlreichen Zusatzstoffe bzw. der aufwendigen Herstellung?

Dr. Conrad: Pauschal ist das nicht so zu beantworten. Die Fleischersatzprodukte haben unterschiedliche Qualität. Man sollte also immer zuerst einmal auf die Zutatenliste schauen, welche Zutaten enthalten sind, ob viele Zusatzstoffe enthalten sind, wie hoch der Fettgehalt oder der Zuckergehalt etc. ist. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass man als Vegetarier oder Veganer diese Produkte nicht essen muss. Man kann über natürliche Lebensmittel durchaus seinen Nährstoffbedarf decken. Andererseits ist es wiederum so, dass einige der Fleischalternativen auch angereichert sind und dementsprechend natürlich auch unterstützen können.

Ist Ernährung bei Schulkindern ein schichtspezifisches Problem? Gibt es dazu Erhebungen?

Dr. Conrad: Wissenschaftliche Untersuchungen und Daten deuten darauf hin, dass Ernährung ein schichtspezifisches Problem ist. Wobei auch die Aspekte wie Alkohol, Rauchen und Bewegung dazu zählen. Nicht nur der Faktor Ernährung allein spielt also eine ausschlaggebende Rolle für den Gesundheitsstatus. Untersuchungen zeigen, dass Kinder mit einer höheren formalen Bildung ein gesundheitsbewussteres Verhalten an den Tag legen.

Dr. Johanna Conrad ist Ernährungsepidemiologin und Referatsleiterin Wissenschaft bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Bonn.