Lobbyismus im Bundestag – Gift für unsere Zukunft

Ein Meinungsbeitrag von Andreas Grede

Die Älteren unter uns erinnern sich irgendwie: Amigo-Affäre (Franz Joseph Strauss) und Bimbes (Helmut Kohl) waren schon einmal große Themen der Bundespolitik. Doch die Kultur des lukrativen Nebenverdienstes lebte (und lebt) weiter, besonders unter CDU-Bundestagsabgeordneten.

Jahrelang und auch jüngst verhinderten CDU/CSU aktiv, dass es mehr Transparenz gibt in Sachen Nebeneinkünfte. Das ist nicht nur im Bereich Maskenbeschaffung in Coronazeiten interessant, sondern auch ein spannendes Thema bezüglich der Agrarpolitik der Bundesregierung, in der Julia Klöckner immer wieder auffällt durch ihre Industrienähe.

Keineswegs sei ihr Bestechung unterstellt, doch verwundert es schon, mit welcher Vehemenz sie alle Versuche abwehrt, ihre Kontakte zu Industrievertretern diskret zu halten. Im März-Newsletter hatten wir bereits einen Link zu einem Artikel der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht, die zum Thema Lobbyismus titelte: „Klöckners Treffen im Hinterzimmer“. Es geht dabei um die Klage von Foodwatch, die eine Offenlegung der Kontakte zu Wirtschaftsvertretern fordert.

Ein Beispiel für überaus erfolgreiche Lobbyarbeit der Industrie war u.a. der Widerstand des Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministeriums vor über 10 Jahren gegen eine „Lebensmittelampel“ auf Verpackungen, die schnell und eindeutig aufklären würde, ob ein Lebensmittel problematisch ist für eine gesunde Ernährung. Eine wirksame Methode, die in anderen EU-Staaten angewendet wird.

Ebenfalls schon vor Jahren zeigte der agrarpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion Friedrich Ostendorff Verquickungen von Bundestagsabgeordneten mit Interessenverbänden der Agrarlobby auf. Der NABU griff das auf und ließ das Institut Arbeit und Wirtschaft der Uni Bremen eine Studie anfertigen.

Das Ergebnis vom April 2019 ist im Grunde niederschmetternd: Hunderte personelle und institutionelle Verflechtungen innerhalb eines Agro-Netzwerkes (Finanzwirtschaft, Agrochemie, Lebensmittelindustrie, Verbände, Agrarwirtschaft) wurden in Brüssel und Berlin identifiziert. Die Schlüsselrolle spielt dabei – wie kaum anders zu erwarten – der Deutsche Bauernverband DBV.

Das hat Folgen für vieles: Umweltpolitik im ländlichen Raum wird im wesentlichen von der Agrarpolitik bestimmt. Ackerboden ist längst zum Spekulationsobjekt für Finanzinvestoren geworden. Tierschutz wird exportorientierter Gewinnmaximierung untergeordnet. Bauernpräsident Joachim Rukwied bekleidete zum Zeitpunkt der Studie mindestens 18 relevante Funktionen (u.a. Aufsichtsratposten) und DBV-Funktionäre sitzen auch im Deutschen Bundestag.

Johannes Röring gehört zu den Bundestagsabgeordneten (CDU) mit den höchsten Nebeneinkünften und wurde für die Verschleierung dieser Gelder von abgeordnetenwatch.de scharf kritisiert.  Röring ist Mitglied im Präsidium des Deutschen Bauernverbandes sowie Vorsitzender des DBV-Fachausschusses Schweinefleisch. Ihm wurden Verstöße gegen das Tierschutzrecht vorgeworfen.

Quellen:
https://lobbypedia.de/wiki/Johannes_R%C3%B6ring
https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/johannes-roering/nebentaetigkeiten

Tatsächlich mutet es wie ein schlechter Witz an, wenn die Parteifunktionäre der CDU jetzt „mehr Transparenz“ fordern, und zwar für Einkünfte über 100.000 Euro. Nebeneinkünfte wohlgemerkt! Die Wirtschaftsnähe der CDU/CSU fällt ihr jetzt auf die Füße, denn insgeheim gilt wohl doch eher die Einstellung „Das-haben-wir-doch-schon-immer-so-gemacht“ in punkto Ausnutzung des Mandats für Kontakte inklusive finanzieller Vorteile. Philipp Amthor wurde gerade zum Spitzenkandidaten in Mecklenburg-Vorpommern gewählt. Aber war da nicht was im letzten Jahr mit Aktienoptionen?

Um im Agrarjargon zu bleiben könnte man sagen, die CDU hat den Humus geschaffen für Vorteilnahme und Verquickung von Mandat und Lobbyinteressen. Dabei ist gerade im Agrarsektor die Verfilzung so komplex, dass es zeitintensiver Recherche bedarf, um das Ausmaß im Ansatz zu begreifen.

Es ist ein Jammer, denn selbstverständlich macht die Mehrheit der Abgeordneten eine anständige und anstrengende Arbeit. Doch nun werden alle verdächtigt: „Die da oben“ sind bekanntlich das Lieblingsfeindbild der rechten Hetzer und Verschwörungsgläubigen, auch sie schöpfen neue Energie aus den aktuellen Vorfällen. Das muss verhindert werden. Wir brauchen klare Leitlinien und Transparenz. Vor allem muss der unsägliche Einfluss der industriellen Agarlobby gebrochen werden.

Es ist ein Superwahljahr und damit ein guter Moment, Politikern klarzumachen, was geht und was nicht. Eine zukunftsfähige Landwirtschaft bedeutet Umwelt-, Natur-, Tier- und Klimaschutz. Das verträgt sich nicht mit profitorientierten Interessen von Lobbyisten der Agrarindustrie, schon gar nicht, wenn sie als „Volksvertreter“ im Deutschen Bundestag sitzen.

Daran muss immer wieder erinnert werden. Ein kleiner Schritt dazu ist Transparenz, wie sie von den Fraktionen der Linken, Grünen sowie Teilen der SPD und FDP schon lange gefordert werden. Es braucht klare Regeln und Kontrollmechanismen. Und es braucht außerparlamentarisches Engagement gegen die Gier von Lobbyisten, die für Geld auch unsere Zukunft verkaufen.

5-Minuten-Info „Korruption“ und Petition von campact:

https://www.campact.de/korruption/

Für SchnellleserInnen: Kurze Zusammenfassung der IAW-Studie

Die NABU-Studie

https://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/landwirtschaft/agrarreform/190429-studie-agrarlobby-iaw.pdf

Zusammenfassung:

https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/landnutzung/landwirtschaft/agrarpolitik/26321.html