Goldrausch auf dem Acker

Äcker sind begehrte Spekulationsobjekte für finanzstarke Investoren. Sie setzen auf Profite durch steigende Bodenpreise, industrielle Bewirtschaftung und nicht zuletzt auf sichere Prämien durch EU-Subventionen.

Für den Boom auf Ackerland sind überwiegend nicht die Landwirte verantwortlich, es sind Anleger auf der Suche nach Rendite aufgrund niedriger Zinsen und unsicherer Finanzmärkte. Schon mehr als 50% der Agrarflächen gehören in Deutschland außenlandwirtschaftlichen Investoren, die mit Ackerland spekulieren. Die Renditen scheinen sicher, denn angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung wird die Nachfrage nach Lebensmitteln kaum schrumpfen.

Laut statistischem Bundesamt (Destatis) haben sich die Preise für landwirtschaftliche Flächen in den vergangenen Jahren mehr als verdoppelt. Analog zu den Kaufpreisen entwickelten sich auch die Pachtpreise. Nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) stieg der Preis für einen Hektar Land seit Mitte des letzten Jahrzehnts um 193 Prozent. 2018 hätten die Kaufpreise landwirtschaftlicher Grundstücke im Bundesdurchschnitt 25.485 Euro pro Hektar Fläche betragen, 2005 lagen die Preise noch bei 8.692 Euro.

Eine Studie des bundeseigenen Thünen-Forschungsinstituts für Ländliche Räume offenbart das Fortschreiten des Ausverkaufs landwirtschaftlicher Flächen. Anfang 2017 gehörten bereits 34 Prozent von 853 untersuchten Agrarunternehmen in Ostdeutschland ortsfremden Großinvestoren. Zehn Jahre zuvor waren es nur 22 Prozent.

Das BMEL zeigt sich besorgt über diese alarmierende Entwicklung, allerdings lassen dringend erforderliche Einschränkungen beim Bodenerwerb auf sich warten. Gesetze, die den Verkauf von Agrarbetrieben an überregionale Großinvestoren verbieten und eine längst überfällige Neuordnung der Verteilung von Agrarsubventionen, könnten diesen Ausverkauf stoppen. Lobbygruppen aus der Reihe der Profiteure versuchen dies mit aller Macht zu verhindern.

Vor allem auf dem ostdeutschen Bodenmarkt hat diese Entwicklung stark zugenommen, viele Landwirte können sich das Land nicht mehr leisten. Ihr gesetzliches Vorkaufsrecht für landwirtschaftliche Flächen gegenüber branchenfremden Investoren nützt ihnen nichts. Mit sogenannten „Share Deals“ wird es geschickt ausgehebelt. Der Investor kauft gleich die ganze Genossenschaft oder Gesellschaft, der das Land gehört und umgeht damit nicht nur das Vorkaufsrecht, sondern spart auch noch die Grunderwerbssteuer. Hinzu kommt, dass Gewinne an den Firmensitzen versteuert werden und auch die Gemeinden das Nachsehen haben. Die Behörden schauen zu, bäuerliche und ökologisch wirtschaftende Betriebe werden von Agrarholdings verdrängt.

So haben auch die Aldi-Erben schnell eine Antwort auf die Frage gefunden, wie man in der gegenwärtigen Zeit sein Milliardenvermögen vermehren kann. Indem sie eine Gesellschaft aufkaufen, die ganze Landstriche besitzt, erhalten sie Steuergelder aus Flächensubventionen in großem Maß. Die Europäische Union vergibt rund 58 Milliarden Euro pro Jahr bisher vor allem in Form von „Direktzahlungen“ für landwirtschaftliche Flächen. Wer viel Land hat, bekommt auch besonders viel Geld vom Staat. Auch andere Investoren, wie der Versicherungskonzern MunichRe, das Pharma-Unternehmen Merckle (Ratiopharm), Remondis-Gründer Rethmann, Heiztechnik-Hersteller Martin Viessmann, Möbelfabrikant Steinhof und der Großindustrielle Silvio Dornier haben dieses Modell für sich entdeckt.

Agrar-Experte Andreas Tietz vom Thünen-Institut erklärt, auch wohlhabende Landwirte würden unter den Nullzinsen leiden. Darum vergrößern sie ihre Flächen, statt das Geld anzulegen und tragen gleichermaßen zu den steigenden Preisen bei. Auch der Wohnungsmarkt schlage sich auf die Agrarpreise nieder. Weil Städte mehr Bauland brauchen, kaufen sie dieses den Landwirten ab. Die dürfen den daraus erzielten Gewinn aber nur steuerfrei behalten, wenn sie ihn wiederum in Agrarland investieren.

Tietz erwartet bundesweit ein Ende der Preisexplosion beim Agrarland. Angesichts des Klimawandels würden Ernten unberechenbarer – und Agrarland damit eben keine ganz so sichere Anlage mehr.

https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2019/10/PD19_N007_61.html

https://www.abl-ev.de/apendix/news/details/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=3454&cHash=5c10572d91ac965833d61cad16771509&L=0