Geflügelpest: Ursache Massentierhaltung

In einem Legehennenbetrieb in Edermünde-Grifte wurden 15.000 Legehennen getötet.

Erst im Schwalm-Eder-Kreis, jetzt auch im Landkreis Kassel

Ein neuer massiver Fall von Vogelgrippe hat den Landkreis Kassel erreicht. Nachdem zwei Wochen zuvor der Ausbruch im benachbarten Schwalm-Eder-Kreis die Tötung von 15.000 Legehennen bedeutete, müssen jetzt 770.000 Tiere wegen Ansteckungsgefahr eingesperrt werden. Da die allermeisten Tiere ohnehin in einem der 20 großen Legehennen-Betriebe und ebenso vielen Masthähnchen-Ställen des Kreises unter beengtesten Verhältnissen kein Tageslicht sehen, werden sie von dieser Verordnung nichts mitbekommen.

Einmal erkrankt, ist die auch als Geflügelpest bezeichnete Infektionskrankheit zumeist tödlich, besonders für Hühnervögel bedeutet eine Ansteckung innerhalb weniger Tage den Tod. „Durch die Stallpflicht im Landkreis Kassel soll die Übertragung der Influenzaviren in die Geflügelbestände bestmöglich verhindert und damit wirtschaftlicher Schaden abgewendet werden, um weitere Tötungen von Geflügel zu verhindern“, so die Kreissprecherin Alia Shuhaiber.

Diese Begründung macht deutlich, dass es nicht um das Wohlergehen der Tiere geht, sondern um wirtschaftliche Interessen. Dass es sich bei der „fachgerechten Tötung“ um qualvolle Vergasungen handelt, wird nicht erwähnt und scheint auch nicht von Interesse. Sonst müssten sich die Verbraucher ja auch mit dem Leid auseinandersetzen, das Massentierhaltung bedeutet.

Seit Oktober 2020 kursieren ständig tödliche Vogelgrippeviren in Deutschland und Europa. Waren Ausbrüche viele Jahrzehnte regionale und saisonale Erscheinungen, ist die Entwicklung mittlerweile nicht nur in Europa besorgniserregend, sondern als globales Problem einzuordnen. Bis September 2022 wurden laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) rund 50 Millionen landwirtschaftlich genutzte Vögel in Europa durch Menschen getötet. 2022 erreichte die Epidemie auch den amerikanischen Kontinent, in den USA wurden seither bereits über 57 Millionen Tiere infiziert.

Auch Wildvögel, insbesondere Küsten- und Zugvögel sind immer stärker von Ausbrüchen der Geflügelpest betroffen. Das Friedrich-Loeffler-Institut spricht von „existenziell bedrohlichen Populationseinbrüchen“, denn Wildvögel sterben ungezählt und tragen immer neue und gefährlichere Varianten des Virus weiter. Da das Virus mittlerweile ganzjährig zirkuliert, sind Wildvogelpopulationen nun ständig bedroht und es sind weitere erhebliche Einbrüche zu befürchten. Auch der NABU sieht in der Ausbreitung des Virus eine große Gefahr für die Artenvielfalt und fordert Gegenmaßnahmen, unter anderem höhere Standards bei der Geflügelzucht.

Immer wieder gibt es vereinzelte Fälle, in denen das Virus Säugetiere wie Robben, Füchse oder Otter befällt. Ein Massensterben unter Nerzen in einer spanischen Pelzfarm im Oktober 2022 deutet darauf hin, dass das Virus einen evolutionären Schritt gemacht haben und somit auch für den Menschen gefährlich werden könnte. „Es wäre leichtsinnig davon auszugehen, dass sich Vogelgrippeviren niemals zu einer Epidemie unter Menschen entwickeln könnten. SARS-CoV-2 hat gezeigt, wie schnell es gehen kann“, so die Albert Schweitzer Stiftung. Allgemein hat die Häufigkeit von Ausbrüchen neuer Infektionskrankheiten und das Risiko für Zoonosen im 21. Jahrhundert zugenommen.

Der Vormarsch der Vogelgrippe steht, wie auch der anderer Epidemien, in Verbindung mit der globalen Massentierhaltung und ist eine Gefahr für Mensch und Tier.

Eine Vielzahl wissenschaftlicher Untersuchungen belegen, dass die intensive Tierhaltung eine entscheidende Rolle bei der Entstehung und Verbreitung von Krankheiten spielt.

Die Albert-Schweitzer-Stiftung bringt es auf den Punkt: „Elementar bei der Bekämpfung von Zoonosen ist daher der One-Health-Ansatz, bei dem die menschliche Gesundheit, die Tiergesundheit und die Gesundheit der Umwelt zusammen betrachtet und geschützt werden. Für die Landwirtschaft bedeutet das: insgesamt nachhaltiger und umweltschonender wirtschaften, deutlich weniger Tiere halten, dafür gesündere (keine Überzüchtung, größere genetische Vielfalt) und unter besseren Bedingungen (vor allem mehr Platz, Beschäftigungsmöglichkeiten, Ruhebereiche)“.

Eine tiergerechte Haltung mit weniger und gesünderen Tieren ist nicht nur ein probates Mittel gegen die Geflügelpest, sondern auch gegen andere Krankheit und reduziert nebenbei den Einsatz von Antibiotika.

Die aktuellen Geflügelpest-Ausbrüche unterstreichen einmal mehr den Ruf nach der dringend erforderlichen Wende in der Landwirtschaft und einem Ausstieg aus der industriellen Tierhaltung. (JL)

Quellen

https://www.hna.de/lokales/kreis-kassel/gefluegelpest-ab-dienstag-gilt-im-landkreis-kassel-stallpflicht-92827317.html

https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/voegel/gefaehrdungen/krankheiten/vogelgrippe/32514.html

https://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/massentierhaltung-epidemien-gefluegelpest