Jahrzehntelange Beobachtung und Zählung haben den eindeutigen Beweis erbracht, dass unsere heimische Vogelwelt auf dem Rückzug ist. Die moderne, meist konventionelle Landwirtschaft trägt ihren Teil dazu bei. Unser Gastautor, erfahrener Ornithologe und u.a. Schriftführer der Vogelkundlichen Hefte Edertal nennt die teilweise dramatischen Zahlen und Fakten für den Kreis Waldeck-Frankenberg.
Beispiele aus dem Kreis Waldeck-Frankenberg
von Wolfgang Lübcke (NABU Waldeck-Frankenberg)
Der Agrarreport 2017 des Bundesamts für Naturschutz (BfN) stützt sich auf Daten des nationalen Vogelschutzberichts 2013 der Bundesregierung. Von 1980 bis 2009 ist etwa bei der Hälfte der Vogelarten des Offenlands eine Bestandabnahme zu verzeichnen.
Besonders erschreckend ist der Rückgang früherer Allerweltsarten wie zum Beispiel Feldlerche und Goldammer. Laut BfN sind in Deutschland seit 1990 mehr als eine Millionen Feldlerchen verschwunden (Pressemitteilung von BFN und DDA vom 24.7.2012).
Weitere Zahlen zum Artenschwund in Deutschland:
Braunkehlchen: – 63 % (1990 – 2013)
Rebhuhn: – 84 % (1990 – 2013)
Situation in Waldeck-Frankenberg
Aus Waldeck-Frankenberg liegen seit 1975 Bestandsdaten vor, so dass sich der Artenschwund gut dokumentieren lässt.
Folgende Arten des Offenlands sind bereits ausgestorben:
Bekassine, Kiebitz, Grauammer, Haubenlerche
Kiebitz
1975 brüteten in Waldeck-Frankenberg noch mindestens 115 Paare, seit Jahren kein einziges mehr. Bereits 1985 war der Brutbestand auf 33 bis 35 Paare zurückgegangen. Erneut zehn Jahre später – 1995 – wurden nur noch neun Brutpaare gemeldet. 2002 konnte erstmals kein Brutpaar mehr nachgewiesen werden.
Auffällig ist, dass es in den letzten Jahren des stark geschrumpften Brutbestands kaum noch erfolgreiche Bruten gab. Das hängt auch damit zusammen, dass die Kiebitze mangels Feuchtwiesen in zuneh-mendem Maße auf Äcker auswichen,die sich aber als ökologische Fallen erwiesen, weil die Gelege der Bodenbearbeitung zum Opfer fielen.
Braunkehlchen
Mitte der 1970 Jahre brüteten allein auf der Korbacher Hochfläche noch etwa 50 Paare. Im Bereich des MTB 4919 wurden 1975 31 Brutpaare gezählt. 2015 wurden aus dem gesamten Kreis nur noch 26 Reviere gemeldet. Im Jahr 2020 ist der Bestand auf sechs Brutpaare/Reviere zusammengeschmolzen.
Das Braunkehlchen als Charakterart der Wiesenbrüter steht in Waldeck-Frankenberg kurz vor dem Aussterben!
Wiesenpieper
Auch bei dieser Art ist der Bestandsrückgang dramatisch.
1975 wurde die Zahl der Brutpaare in den Hochlagen des Waldecker Uplands noch mit 150 angegeben. 2020 wurden aus dem gesamten Kreisgebiet gerade einmal 18 Brutpaare/Reviere gemeldet:
Feldlerche
Die Situation dieser einst kreisweit sehr häufigen Art ist unterschiedlich. Es gibt Bereiche, in denen kaum noch eine Lerche singt und andere, wo noch relativ viele Lerchen gezählt werden.
Es liegen Vergleichsuntersuchungen auf einer 50 Hektar großen Probefläche bei Battenberg-Laisa vor, die noch relativ günstige Be-díngungen bietet (SCHNEIDER 2015, ergänzt):
1998 max. 58 singende Lerchen
2003: max. 55 singende Lerchen
2012: max. 21 singende Lerchen
2015: max. 30 singende Lerchen
Die Bestandsabnahme zwischen 1998 und 2012 beträgt 64 %. Der Anstieg der Reviere im Jahr 2015 gegengenüber 2012 ist u. a. auf das relativ trockene Frühjahr zurückzuführen.
Die Anzahl der Parzellen auf der Probefläche ging von 1998 auf 2012 von 58 auf 45 zurück. Die Zusammenlegung von Grundstücken wirkt sich negativ auf den für die Feldlerche sehr wichtigen Randlinieneffekt aus. Zudem bietet Wintergetreide der Feldlerche kaum Brutmöglichkeiten, da zu Beginn der Brutzeit die Vegetation bereits sehr dicht ist.
Goldammer
Sie zählt noch zu den häufigsten Arten der Agrarlandschaft. Aus Waldeck-Frankenberg gibt es eine Vergleichsuntersuchung aus den Jahren 1999 und 2018 (SOMMERHAGE 2018).
Untersuchungsgebiete:
- Vor allem im zentralen Bereich intensiv genutzte Ackerfläche auf der Vasbecker Hochfläche (1600 ha)
- Kleinstrukturierte und heckenreiche Fläche im Twistetal bei Braunsen (300 ha)
Fläche 1: 1999 64 Reviere = 4 Rev./100 ha, 2018 34 Reviere = 2,1 Reviere/100 ha
Fläche 2: 1999 20 Reviere = 6,6 Rev./100 ha, 2018 13 Reviere = 4,3 Reviere/100 ha
Insgesamt ergaben sich auf beiden Flächen erhebliche Bestands-einbußen. Auf der intensiv genutzten Fläche fiel sie mit 47 % jedoch deutlich höher aus als in der kleinstrukturierten Fläche. Dort waren es 35 %.
Schleiereule
Früher war die Schleiereule fast in jedem Dorf vertreten. 1975 wurden aus dem Kreisgebiet bei nicht flächendeckender Erfassung 32 Brutreviere gemeldet. Dass eine systematische Erfassung einen deutlich höheren Wert ergeben hätte, zeigt eine Kartierung im Bereich des MTB 4919 Frankenau. In 16 kontrollierten Orten (insgesamt gibt es in diesem Bereich 24 Orte) brüteten 1975 neun Paare und es erfolgten zusätzlich fünf Brutzeitbeobachtungen. 2017 waren es kreisweit noch fünf Brutpaare. Trotz eines Presseaufrufs wurde 2020 nur eine einzige Brut gemeldet!
Rebhuhn
Der Bestand unterliegt wetterbedingt starken jährlichen Schwan-kungen. Wie dramatisch der Rückgang dieser Art ist, mögen zwei Zahlen verdeutlichen: 1991 wurden im rechten oberen Viertel des MTB 4820 Bad Wildungen (33 Quadratkilometer) noch 35 Reviere gezählt.
2020 wurden aus dem gesamten Kreisgebiet nur sieben Brutreviere bzw. -verdachte und von elf Orten Brutzeitbeobachtungen gemeldet.
Literatur
ENDERLEIN, R., LÜBCKE, W. u. M. SCHÄFER (1993): Vogelwelt zwischen Eder und Diemel. Avifauna des Landkreises Waldeck-Frankenberg. Korbach
LÜBCKE, W. (2015): Zum Artenschwund im landwirtschaftlich genutzten Offen-land. Vogelkundliche Hefte Edertal 45: 12-15
SCHNEIDER, H.-G. (2015): Bestandserfassung der Feldlerche (Alauda arvensis) auf einer Probefläche bei Battenberg-Laisa 1998, 2003 und 2012. Vogelkundliche Hefte Edertal 41: 91-92
SOMMERHAGE, M. (2018): Vergleichende Untersuchung zur Siedlungsdichte der Goldammer (Emberiza citrinella) auf zwei Kontrollflächen im Landkreis Waldeck-Frankenberg (Nordhessen) in den Jahren 1999 und 2018. Vogel und Umwelt 23: 17-26
Vogelkundliche Hefte Edertal Nr. 1 (1975) bis Nr. 47 (2021)