Landesbauernpräsident Carsten Schmal (l.) dankt Ministerpräsident Boris Rhein für seinen Besuch
75. Nordhessische Landwirtschaftswoche in Baunatal
Ein (Meinungs-)Beitrag von Andreas Grede
Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein kam sozusagen direkt aus Bayern, wo er am Wochenende auf der Winterklausur der CSU zu Gast und damit wohl auch gleich im Wahlkampfmodus war. In seiner Begrüßungsansprache zur 75. Nordhessischen Landwirtschaftswoche in Baunatal betonte er immer wieder, dass die Landesregierung alles in ihrer Macht stehende tun werde, um gut mit dem hessischen Bauernverband zu kooperieren und das Verhältnis sogar weiter zu stärken. Umwelt- und Naturschützer dürften diese Botschaft mit gemischten Gefühlen aufnehmen.
„Kommt darauf an, wie die Wahl ausgeht“, merkte Rhein dann noch an und fügte schnell an, dass diese selbstverständlich vom Wähler entschieden würde. Natürlich wurde der Politiker auch konkreter, was landwirtschaftliche Themen anging, nachdem er sich zuvor an einem Wortspiel über Marder, Leoparden und den russischen Bären versucht hatte.
Die hohen Energiepreise machten den landwirtschaftlichen Betrieben zu schaffen, die aber durch die Gas- und Strompreisdeckelung zumindest entlastet würden. Der Ukrainekrieg spielte aber auch auf einem anderen Gebiet im letzten Jahr eine entscheidende Rolle, Rhein nannte es den „Kampf ums Ackerland“. Dabei geht es um den Anbau auf ökologischen Vorrangflächen, den die EU ausnahmsweise optional erlaubte. Der Bauernverband und andere Lobbyisten wollten auch Maisanbau einschließlich Ausbringung von Mineraldüngern und Pestiziden („Pflanzenschutzmitteln“) ermöglichen. Doch Özdemir setzte sich auch im Bundesrat durch und es wurden die Brachflächen nur zum Anbau von Tierfutter freigegeben.
„Ernährungssicherheit“ war denn auch ein viel genanntes Stichwort, man könnte auch sagen Totschlagargument, da es in allen Tönen und Varianten benutzt wird, sobald es um intensive Landwirtschaft geht.
Lobende Worte fand der Gastredner immer wieder: „Die gesellschaftliche Leistung der Bäuerinnen und Bauer verdient Dankbarkeit und Anerkennung. Wir müssen die Wertschätzung in der Bevölkerung steigern, immer noch steigern.“. Eine Aussage, die sicher jeder unterschreiben würde. Doch dann wurde Rhein konkreter: „Da gibt es teilweise romantisierende Bilder von Landwirtschaft, teilweise naive Bilder von Landwirtschaft, so eine Heidi-Landwirtschaft, alle denken alles ist rosig und alles ist schön … Und da gibt es diese Bilder vom Umweltverschmutzer. Beides ist großer Quatsch, beide Bilder sind gefährlich.“
Bleibt die Frage, für wen diese „Bilder“ gefährlich sind. Tierschützer kennen den beliebten Spruch „Das Leben ist kein Ponyhof“, womit gerne die Massentierhaltung als Normalzustand dargestellt wird.
Aufklärungsprogramme gerade für Kinder seien notwendig wie etwa die Kampagne „Hessens Bauern – zusammen wachsen“. Die Seite wird vom HBV betrieben und malt wenig überraschend ein Bild der konventionellen Landwirtschaft, die scheinbar sachlich informiert. Wer etwa auf den Menüpunkt „Unsere Tiere“ und dort auf „Schwein“ klickt kann lesen:
„Wusstest ihr, dass Schweine genauso wie wir Menschen Sonnenbrand bekommen können? Unsere Ställe schützen die Schweine vor direkten Sonnenstrahlen sowie vor zu kalten und zu hohen Temperaturen. Schweine besitzen nur am Rüssel Schweißdrüsen, weshalb sie gar nicht richtig schwitzen können. Zum Glück sind in unseren Ställen Lüftungssysteme installiert, wodurch wir die Stalltemperatur optimal einstellen können. Wir halten unsere Schweine also überwiegend in Ställen.“ (https://www.hessens-bauern.de/unsere-tiere/schwein)
Das Ganze ist bebildert mit „sauberen“ Schweinen auf sauberen Spaltenböden. Es ist leider diese Art von „Aufklärung“, die man sich für seine Kinder nicht unbedingt wünscht. Denn auch wenn sich der Ministerpräsident zu der Bemerkung hinreißen ließ, Landwirte seien doch die größten Umweltschützer, sollte man doch auf dem Boden der Tatsachen bleiben.
Fest steht nun mal, dass landwirtschaftliche Betriebe Täter und Opfer der Klimakrise zugleich sind. Die konventionelle Landwirtschaft verstärkt unter anderem mit dem Einsatz von Stickstoffdünger (der zu Lachgasemissionen führt) und die hohe Tierdichte die Erderwärmung und leidet gleichzeitig unter den Extremwetterlagen wie Dürre und Starkregen.
Vor dem Politiker hatte die Meeresbiologin Antje Boetius in ihrem Vortrag darauf hingewiesen, dass landwirtschaftliche Düngemittel in der Ostsee in Verbindung mit den Hitzesommern für schädliches Algenwachstum sorgen würden mit schlimmen Folgen für das ökologische Gleichgewicht.
Alternativen zu diesem Teufelskreis zeigte auch das Klimapaket der Vereinigung Ökologischer Landbau in Hessen e.V., das VÖL Sprecher Tim Treis dem Ministerpräsidenten bei dessen Rundgang im Anschluss überreichte (siehe nachfolgender Beitrag).
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Am Montagabend berichtete die Hessenschau in einem Zweiminutenbeitrag vom Eröffnungstag:
https://www.hessenschau.de/tv-sendung/landwirtschaftliche-woche-gestartet,video-178246.html