Der „Umbau der Nutztierhaltung“, das ist das Ziel der sogenannten Borchert-Kommission. Sie möchte, dass mit viel Geld Schritt für Schritt mehr Tierwohlmaßnahmen gefördert werden. Die Kommission nimmt alle Bereiche der Nutztierhaltung unter die Lupe, damit am Ende die Tiere besser leben und die gesellschaftliche Akzeptanz der Nutztierhaltung verbessert wird. Ein hohes Tierwohlniveau und möglichst geringe Umweltauswirkungen sollen mit einer nachhaltigen wirtschaftlichen Perspektive für die Landwirte einhergehen. Das sind schöne Worte, aber was kann die Borchert-Kommission tatsächlich erreichen und wer sind ihre Mitglieder?
Die Kommission heißt offiziell „Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung“ und wurde 2019 eingesetzt. Moderator der Gespräche ist der ehemalige Landwirtschaftsminister Jochen Borchert, daher der Name. Wirtschaftsverbände, Tierhalter*innen, Wissenschaftler*innen sowie Verbraucher-, Tier- und Umweltschützer*innen sollen sich hier zu den eingangs genannten Zielen austauschen. Vertreter*innen des Landwirtschaftsministeriums dürfen sich zu Tagesordnungspunkten äußern. Ein Blick auf die detaillierte Liste der teilnehmenden Organisationen zeigt, dass in erster Linie Profiteur*innen und Funktionär*innen mitarbeiten. Der Tierschutzbund ist bereits nach der konstituierenden Sitzung ausgeschieden. Kritik kommt mittlerweile auch vom Bund Ökologischer Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), der die Umsetzung der Kommissionsbeschlüsse auf die lange Bank geschoben sieht.
Am 2. März hat die Borchert-Kommission eine Machbarkeitsstudie veröffentlicht, in der eine extern beauftragte Kanzlei die Empfehlungen der Kommission prüft (siehe untenstehenden Link). Drei Finanzierungsvarianten zieht die Kanzlei in Betracht:
- Eine Verbrauchssteuer auf tierische Produkte, die allerdings einen hohen bürokratischen Aufwand erfordert.
- Eine höhere Mehrwertsteuer auf tierische Produkte (19 statt der bisherigen sieben Prozent), was deutlich unkomplizierter umzusetzen wäre.
- Ein sogenannter Tierwohl-Soli, der auf die Einkommensteuer aufgeschlagen wird. Der zuletzt genannte Vorschlag ist wenig aussichtsreich, da der Solidaritätszuschlag auf die Einkommensteuer gerade erst abgebaut wurde.
Die Machbarkeitsstudie können Bundestag, Länder und Fachleute aus dem Agrarbereich heranziehen, wenn sie die Entwicklung der Nutztierhaltung diskutieren. Bindend ist sie nicht. Ob und wann sie in politische Vorhaben mündet, ist ungewiss. Im April 2021 wird im Auftrag der Borchert-Kommission zunächst eine Folgenabschätzung für ihre Empfehlungen veröffentlicht. Bedenkt man zudem, dass 2021 ein Wahljahr ist, lässt sich erahnen: Bis neue Abgaben für die Steuerzahler*innen beschlossen werden, dürfen wir mindestens bis 2022 warten.
Im Übrigen sind auch die Zeitpläne für die Einführung einer Tierwohlkennzeichnung gekippt. Politische Vorgaben für mehr Platz im Stall kommen in der Machbarkeitsstudie erst gar nicht vor. Den Verbraucher mit einer Entscheidung für Fleisch aus artgerechter Haltung in die Pflicht nehmen zu wollen, ist eine Bankrotterklärung der Agrarministerin. Tierschutz ist eine politische und gesellschaftliche Aufgabe. Es braucht klare Regeln und eine Kennzeichnungspflicht. Denn Tierschutz ist auch Gesundheitsschutz. Mehr Platz im Stall bedeutet weniger bzw. bestenfalls überhaupt keinen Einsatz von Antibiotika. Vielleicht ist ja ein Label, das den Verzicht auf Antibiotika kennzeichnet, ein erster Schritt. (sf)
Weiterführende Links:
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/fleischsteuer-tierwohl-mehrwertsteuer-fleisch-1.5222554
Link zu Machbarkeitsstudie und Vorschlägen der Borchert-Kommission:
https://www.bmel.de/DE/themen/tiere/nutztiere/umbau-nutztierhaltung.html