Geflügelmast in Nordhessen. Schlusslicht beim Tierwohl?

Der Geflügelschlachthof in Gudensberg, im Besitz der niederländischen Plukon Food Group, hat die nordhessische Landschaft verändert. Wie von der BI Chattengau gegen Massentierhaltung seinerzeit befürchtet, sind an verschiedenen Orten Großmastanlagen entstanden oder geplant. Ein Argument der Gegner – also uns –  war immer, dass diese Form der Tierhaltung nicht zukunftsfähig sei. Dies wird nun auf geradezu groteske Weise bestätigt, und zwar von der Handelsstrategie des Konzerns selbst.

Anlässlich der Grünen Woche in Berlin wurde von Plukon (!) gemeinsam mit dem brandenburgischen Landwirtschaftsminister Vogelsänger (SPD) das sogenannte „FairMast-Konzept“ vorgestellt. Die Tiere leben dabei 56 Tage statt bisher maximal 42, es sind nur 25 kg Lebendgewicht statt den gesetzlich erlaubten 39 kg Gewicht pro Quadratmeter Stallfläche erlaubt. Die Mastanlagen sind mit Strohballen, Sitzstangen und Picksteinen ausgestattet. Das bleibt noch unter dem Bio-Standard, ist aber dennoch bemerkenswert: Denn plötzlich gibt es einen Markt für bessere Qualität, der bis dato angeblich nicht existierte.


Tiertransporter des Geflügelschlachthofs in Gudensberg. Die Plukon Food Group ist nach eigenen Angaben einer der größten Geflügelfleischprodukt-Hersteller in Europa. Chicken-Nuggets gehören zur Produktpalette.

Bauernverband, Lebensmittelindustrie und -handel und das Bundeslandwirtschaftsministerium wurden und werden nicht müde zu behaupten, dass „der Verbraucher“ eben billiges Fleisch wolle. Wir dagegen haben immer betont, dass es der Verbraucheraufklärung bedarf, die zu einem geänderten Konsumverhalten führen würde. Glücklicherweise ist das Thema Massentierhaltung stärker ins Bewusstsein der Menschen gerückt. Nur wer sich sehr hartnäckig allen zugänglichen Informationsquellen verschließt und ausschließlich in seiner Facebook-Blase lebt, kann ignorieren, unter welch jämmerlichen Bedingungen die Tiere qualvoll bis zur Schlachtreife gemästet werden. Strahlefrau Julia Klöckner („Miss Ernte“, Spiegel 3/2019) kann inzwischen die betäubungslose Ferkelkastration und andere Missstände nicht mehr einfach weggrinsen.

Was aber heißt das für Nordhessens Landwirte, die einen siebenstelligen Betrag in eine Tiermastanlage investiert haben oder dies tun wollen? Es bedeutet u.a., dass sie für einen globalen Massenmarkt produzieren, in dem nur eines zählt: der billige Preis. Doch auch die Folgen dieser Produktionsmethoden (ein eigentlich unpassendes Wort, da wir hier von Lebewesen reden) dringen allmählich ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Die Nitratbelastung unseres Wasser, die klimaschädlichen Gase, der Vormarsch multiresistenter Keime, als das sind letztlich Folgen und Kosten, die die Allgemeinheit zu tragen hat. Das ist zunehmend bekannt. Die Wahlergebnisse der letzten bayrischen und hessischen Landtagswahlen sind kein Zufall.

Deutschland ist auf Platz 1 – beim Nichteinhalten von EU-Richtlinien (die von Deutschland maßgeblich mitbestimmt werden), u.a. drohen Strafzahlungen in Milliardenhöhe wegen der unzureichenden Dünge-Verordnung und dem zu hohen Nitratgehalt im Grundwasser. Eine klare und direkte Folge zu hoher Tierbestände in Deutschland.

Somit ist beinahe schon absehbar, dass sich etwas ändern wird. Es werden schärfere Verordnungen kommen (müssen), und die damit verbundenen Maßnahmen werden teuer. Auf Dauer wird es sich die Gesellschaft nicht leisten wollen, die globale Fleischindustrie z.B. durch teure Trinkwasseraufbereitung indirekt zu subventionieren. Dies ist nur ein Punkt von vielen. Zusätzliche Filter für den Klimaschutz, die garantiert kommen werden per Verordnung oder Gesetz, werden die Kosten in die Höhe treiben und manche mit spitzem Bleistift kalkulierte Investition der Landwirte zunichte machen.

Die AGA hat eine klare Position: Staatliche Unterstützung der Landwirte ist nötig und sinnvoll. Doch dürfen damit nicht Großbetriebe und Massentierhaltung gefördert werden, sondern Maßnahmen, die dem Erhalt der Natur und der Umwelt dienen, die Tierleid mindern und insgesamt – wie es jetzt auch die Jugend mit „Friday for Future“ fordert – eine Zukunftsperspektive haben.