Finaler Beschluss für das Renaturierungsgesetz sorgt für Erleichterung

Die Moore im Burgwald bei Frankenberg sind in Hessen einzigartig. Bei einer gemeinsamen Aktion mit der Burgwald-Initiative packte die AGA-Nordhessen vor 2 Jahren mit an.

Das Nature Restoration Law (NRL) ist ein entscheidender Schritt zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Förderung der biologischen Vielfalt in Europa. Darüber hinaus ist es ein zentraler Bestandteil des Green Deal und ein unverzichtbarer Schritt, um gesunde und widerstandsfähige Ökosysteme zu schaffen, die wichtige ökologische Dienstleistungen bereitstellen und zum Wohlstand und zur Lebensqualität der Menschen beitragen.

Nach offiziellen Angaben befinden sich mehr als 80 Prozent der Lebensräume in Europa in einem schlechten ökologischen Zustand oder sind zerstört – Tendenz steigend. Der Klimawandel ist längst spürbar, der Artenschwund schreitet ungebremst voran. Dabei sind intakte Ökosysteme unentbehrlich für die Speicherung und den Rückhalt von Wasser. Das haben uns die Dürren der letzten Jahre und die wiederkehrenden Hochwasserereignisse schmerzlich gezeigt.

Mit einer qualifizierten Mehrheit beendete der EU-Umweltrat in Luxemburg am 17. Juni 2024 die Zitterpartie um das Nature Restoration Law (NRL) und machte den Weg frei für ein weltweit einmaliges Gesetz zur Wiederherstellung unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Für die deutsche Umweltministerin Steffi Lemke, die sich für die Verabschiedung stark machte, ist der Beschluss ein „Beispiel für die Kompromissfähigkeit der europäischen Staaten“ und ein „entscheidender Schritt, um in Europa eine intakte Natur zu erhalten“. Bei den Umweltorganisationen und der Wissenschaft sorgte er für Erleichterung und Feierlaune.

Der lange Weg durch die Institutionen

Im Juni 2022 hatte die EU-Kommission ihren Vorschlag für das  Renaturierungsgesetz erstmals vorgelegt. Im November 2023 konnten sich die Mitgliedsstaaten und das EU-Parlament nach zähen Verhandlungen endlich auf einen Kompromiss einigen, danach kamen die weiteren Verhandlungen erneut ins Stocken. Hauptsächlich aufgrund intensiver Lobbyarbeit der landwirtschaftlichen Interessenverbände und Industriezweige drohte das Renaturierungsgesetz zu scheitern. Bauernverbände und Christdemokraten wollten es unter allen Umständen zu Fall bringen, denn angeblich waren die Belastungen für Bauern und Landwirtschaft zu groß und würden zu einem Rückgang der Nahrungsmittelproduktion führen. Wissenschaftler, Umweltschützer und sogar große Konzerne, darunter IKEA, Spar und Nestlé, sprachen sich für das Gesetz aus.

Die Abgeordneten des Europaparlaments billigten trotz zahlreicher Proteste von Landwirten und konservativen Politikern im Februar 2024 das neue Gesetz zur Wiederherstellung der Natur. Nun haben endlich auch die Umweltministerinnen und -minister der EU dafür gestimmt. Am Ende machte nach 136 Änderungen im Gesetzestext die österreichische Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) den Weg für das stark umstrittene Renaturierungsgesetz frei und widersetzte sich mit ihrer Zustimmung ihrem konservativen Koalitionspartner. „Wenn es einen rechtskonformen Weg gibt, ist es meine Verpflichtung gegenüber künftigen Generationen, ihn zu beschreiten. Wir haben ihn gefunden, und deshalb hat dieses Gesetz meine Stimme“, kommentierte sie ihre Entscheidung. Damit sorgte sie für einen Eklat und löste eine Koalitionskrise in Österreich aus.

Schmerzhafte Zugeständnisse

Während des gesamten Verhandlungsprozesses hatte man das Gesetz mehrfach abgeschwächt und überarbeitet. Zu groß war die Gefahr, ein Scheitern zu riskieren. Strikte Vorgaben für die Landwirtschaft wurden abgemildert und durch freiwillige Maßnahmen und finanzielle Anreize ersetzt.

Ursprünglich war vorgesehen, Teile landwirtschaftlich genutzter Flächen wieder in ihren natürlichen Zustand zu versetzen, am Ende hat man sich auf die Förderung überwiegend freiwilliger Renaturierungsprojekte und Subventionen für umweltfreundlichere Bewirtschaftungspraktiken verständigt. Statt einer verbindlichen Reduktion des Einsatzes von Pestiziden in der Landwirtschaft wurden Zielvorgaben und freiwillige Vereinbarungen eingeführt, die durch finanzielle Anreize unterstützt werden.

Die Ausweisung von Schutzgebieten mit festen Nutzungsbeschränkungen wurde aufgegeben und durch die Nutzung unter bestimmten Auflagen erlaubt. Die Moorrenaturierung, insbesondere auf landwirtschaftlichen Flächen, wurde durch ein Programm freiwilliger Maßnahmen ersetzt, die staatlich gefördert werden. Fristen zur Umsetzung der Renaturierungsmaßnahmen wurden zugunsten flexibler Zeitrahmen gelockert. Nicht zuletzt wurde die Vorgabe für die Finanzierung durch neue Abgaben, etwa auf den Einsatz von Pestiziden oder auf den Flächenverbrauch gestrichen. Stattdessen soll die Finanzierung nun über den Staatshaushalt und vorhandene Förderprogramme gewährleistet werden.

Die Anforderungen an Monitoring und Berichterstattung wurde zugunsten eines geringeren Verwaltungsaufwands vereinfacht. Darüber hinaus kann die EU-Kommission die Renaturierungsziele bei drohender Nahrungsmittelknappheit für ein Jahr aussetzen. Die Mitgliedstaaten setzten in den Verhandlungen eine Reihe von Ausnahmen durch, mit denen sie die betroffenen Flächen verringern können. In ihren Plänen dürfen sie regionale Besonderheiten und Bevölkerungsdichte berücksichtigen. Länder mit extra großen Moorflächen bekommen mehr Zeit für die Wiedervernässung.

Mindestens 20 Prozent der geschädigten Land- und Meeresgebiete der EU müssen bis 2030 wiederhergestellt werden, bis 2050 alle bedrohten Ökosysteme. Dazu gehören Wälder, Felder, Feuchtgebiete, Grünland, Binnengewässer, Küstengebiete und Meeresökosysteme.

Das Nature Restauration Law verpflichtet die Mitgliedstaaten der Europäischen Union nationale Pläne zu erarbeiten, um die vorgegebenen, verbindlichen Wiederherstellungsziele zu erreichen. Diese Pläne sollen spezifische Maßnahmen und Zeitpläne zur Wiederherstellung von Ökosystemen in Europa enthalten. Ob und wie das Renaturierungsgesetz nun tatsächlich für Bewegung in die Wiederherstellung von Ökosystemen bringt, wird sich erst in zwei Jahren zeigen. Bis dahin müssen die EU-Mitgliedstaaten ihre nationalen Pläne vorlegen.

Wie geht es weiter?

Jetzt gilt es, das Gesetz in den einzelnen Mitgliedstaaten rasch, ambitioniert und ohne weitere Verwässerungen umzusetzen. Laut Stephan Piskol, NABU-Referent für Renaturierung und natürlichen Klimaschutz, brauche es jetzt ein „Nationales Gesetz zur Rettung der Natur“ sowie „schlankere Verfahren und mehr Klarheit für die Bundesländer“, damit die Wiederherstellung auch lokal erfolgreich umgesetzt werden könne. „ Nun liegt es an der Bundesregierung, sie muss sich unverzüglich an die Arbeit machen und die europäischen Vorgaben in Zusammenarbeit mit allen maßgeblichen Akteuren zügig und vollständig umsetzen“, so Olaf Brandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Auch Martin Kaiser, geschäftsführender Vorstand von Greenpeace Deutschland begrüßt den Gesetzeserlass und drängt auf eine schnelle nationale Umsetzung. Trotz der vielen Zugeständnisse und Abschwächungen, die erforderlich waren, um im EU-Umweltrat überhaupt noch zu einem finalen Beschluss zu gelangen, sei das Gesetz eine einmalige Chance, die Klima-und Naturkrise in der EU gemeinsam anzugehen. Zusätzlich sei es ein wichtiges Signal an die Weltbiodiversitätskonferenz in Kolumbien und zeige, dass die EU ihre Hausaufgaben in Sachen Schutz der Artenvielfalt auch in ihren Mitgliedsstaaten erledigt.

Die Verordnung wird nun im Amtsblatt der EU veröffentlicht und daraufhin in Kraft treten. Das NRL wird unmittelbar in jedem EU-Mitgliedstaat gelten.

https://www.bmuv.de/pressemitteilung/lemke-begruesst-neues-eu-gesetz-zur-wiederherstellung-der-natur-als-meilenstein-fuer-die-natur-in-europa

https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2024/06/17/nature-restoration-law-council-gives-final-green-light/