Bauernproteste in Berlin mit nationalistischen Tönen

Landwirte protestieren seit dem 26. Januar vor dem Bundesagrarministerium und dem Umweltministerium in Berlin. In einer Pressemitteilung kritisiert der agrarpolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, Martin Häusling, dass die Organisation „Land schafft Verbindung“ (LsV) den Eindruck erwecke, dass aus den Nachbarstaaten eingeführte Lebensmittel nicht den deutschen Standards entsprechen. Er macht deutlich, dass es keine deutschen Standards gibt, sondern nur EU-weit geltende.

Ein Sprecher des Umweltministeriums begrüßt die Forderungen nach Herkunftsbezeichnungen und mehr Verantwortung des Handels, erklärt aber, bei „Forderungen wie Mindestquoten für deutsche Lebensmittel“ werde „das Rad überdreht“. Deutlich ist: Der Ton ist kämpferisch nationalistisch.

Die Fahnen, die viele Demonstranten bei sich tragen oder an ihre Trecker hängen, spiegeln die nationalistischen Töne, die sie anschlagen. Es sind schwarze Fahnen, auf denen ein weißer Pflug und ein rotes Schwert abgebildet sind – das historische Symbol des „Landvolks“, einer 1927/28 gegründeten Bauernbewegung aus Schleswig-Holstein.

Landvolk-Mitglieder vertraten völkisch-nationalistische Ansichten und beteiligten sich auch an gewalttätigen Aktionen. Eine der Forderungen der Landvolkbewegung in den 20er Jahren war das Verbot der Einfuhr billiger Lebensmittel aus Übersee. Der Pflug wird als Symbol der Verbundenheit zu Grund und Boden gesehen, der Pfeil steht für den Aufstand der Bauern.

Agrarministerin Klöckner und Bauernpräsident Rukwied zeigen sich empört über die verwendete Symbolik. Der Tagesspiegel titelte in der vergangenen Woche: „Antisemitische Symbole bei Bauern-Protest in Berlin“. Die Kritiker reduzierten die Diskussion auf diese Fahne, so die Protestierenden, und ignorierten ihre Forderungen. Die demonstrierenden Bauern in Berlin repräsentierten verschiedene kürzlich entstandene Bewegungen.

So wird etwa das Landvolk-Symbol von der „Basis+Bauern Bewegung“ genutzt sowie von der noch heute existierenden Landvolkbewegung. LsV hingegen lehnt das Zeigen der Landvolk-Fahne ab. Ärger seitens LsV gab es bereits nach einer Protestaktion im Sommer 2020, bei der das Symbol martialisch mit beleuchteten Treckern nachgestellt wurde.

Die „Freien Bauern“ distanzieren sich nicht von der nationalistischen Symbolik. Die Organisation ist erst 2020 aus dem Bauernbund Brandenburg entstanden. Sie sieht sich als Interessenvertretung bäuerlicher Familienbetriebe und ausdrücklich nicht der Agrarkonzerne. Insbesondere das Bild des Landwirts in den Medien ist ihr ein Dorn im Auge.

Die Organisation befürwortet ein Verbot von Gentechnik, wendet sich gegen Massentierhaltung, zugleich aber gegen Tierwohlauflagen und setzt sich für wolfsfreie Zonen ein. Der Geschäftsführer und Medienreferent der Freien Bauern, Reinhard Jung, betreibt eine ökologische Mutterkuhhaltung und sieht als studierter Historiker die Landvolkbewegung als rein bäuerliche Protestbewegung. Was er nicht erwähnt ist, dass die auch diese Bewegung der NSDAP durch ihren Protest den Weg ebnete. In ihren Hochburgen konnten Nazis überdurchschnittliche Wahlergebnisse erzielen. Viele Landvolkmitglieder waren schon früh auch Mitglied der NSDAP.

Die Landvolkbewegung existiert heute noch vorwiegend in Norddeutschland. Die Landvolkfahne wird inzwischen bundesweit verwendet. Zugleich wird der Ton bei den Protesten schärfer. Ein Landwirt aus Süddeutschland ist der Meinung, dass landwirtschaftliche Betriebe „kaputt gemacht werden sollen“. Er sieht die Fahne als ein Symbol, das Gegendruck ausübe. Sie seien bereit, Höfe und Familien zu verteidigen.
Diese Aggressivität kennzeichnete die Proteste in Berlin und stimmt bedenklich.

Immerhin: Der Deutsche Bauernverband und die Deutsche Landjugend haben sich von dieser Art der Proteste distanziert.