„Arme Schweine“

Das System Fleisch oder genauer gesagt die Gewinnmargen daraus beruhen schon lange auf schlechten Tierhaltungsbedingungen, aber auch auf Zuständen in den Schlachthöfen, die man nur als ausbeuterisch bezeichnen kann. Schon 2015 prangerte Pastor Msgr. Peter Kossen das System der Werkverträge und Subunternehmer mit Arbeitsmigranten als modernen Menschenhandel an.

Die Schlachthofbetreiber sind zunächst mal fein raus – vereinfacht gesagt übernehmen Subunternehmer die schmutzigen Seiten des Geschäfts, und die verdienen auf vielen Kanälen. Arbeitsvermittler werben in den Ursprungsländern (oft Rumänien oder Bulgarien) mit „guten Löhnen“ und verlangen schon mal nicht selten Vermittlungsgebühr, die erstmal abzuarbeiten ist. In Deutschland angekommen, warten Billigunterkünfte auf die Schwerarbeiter, das bedeutet meist mehrere Betten oder Matrazen in einem Zimmer. Bei Wilke-Arbeitern aus dem Ausland kam sogar heraus, dass Betten in zwei Schichten vermietet wurden.

Die Mietpreise spotten jeder Beschreibung, die hygienischen Bedingungen in den Unterkünften tun es auch. Schon hier lässt Corona grüßen. Doch damit nicht genug: Für den Transfer vom Schlafplatz zum Schlachthof werden Kleinbusse eingesetzt (das kann man auch im Gudensberger Schlachthof zum Schichtwechsel beobachten), und diese „Transportkosten“ sind eine weitere Einnahmequelle der Subunternehmer.

Was sind nun eigentlich Werkverträge? Rechtlich gesehen verpflichtet sich ein Auftragnehmer (der Schlachhofarbeiter, z.B. Zerleger), eine bestimmte Arbeit („Werk“) gegen Zahlung eines Lohns zu leisten. Er ist rechtlich selbstständiger Unternehmer. Schlachthofbetreiber können Werkverträge mit einzelnen Personen oder – praktischer aus Unternehmersicht – mit Subunternehmen abschließen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund protestiert seit Jahren gegen diese Form der Zweiklassenbeschäftigung. U.a. werden so Tarifverträge umgangen und die Belegschaft gespalten. Schon vor Jahren ermittelte die Gewerkschaft NGG (Nahrung-Genuss-Gaststätten), dass bei den vier größten Schlachthofkonzernen Tönnies, Vion, Westfleisch und Danish Crown zwei Drittel aller Beschäftigen mit Werksverträgen arbeiten!

Zwar gibt es ähnlich der Scheinselbstständigkeit auch sogenannte Scheinwerkverträge, doch natürlich hat ein rumänischer Schlachthofarbeiter da ganz schlechte Karten: Er spricht weder die Sprache, noch ist er gewerkschaftlich organisiert und kann auf Rechtsschutz hoffen. Außerdem werden die Arbeiter in der Regel im Zweijahrestakt ausgetauscht. Viele tausend sind das in Deutschland!

Nun muss man der Wahrheit halber sagen, dass die Fleischindustrie auch vermehrt direkt anstellt, wodurch die Arbeiter einen höhen Lohn erhalten. Der Mindestlohn ist allerdings immer noch mickrig gemessen an dieser schweren, taktgebundenen Fließbandarbeit. Begründet werden diese Hungerlöhne selbstverständlich wie immer mit den Härten des Marktes.

Damit sich nicht zuviel Protest regt oder gar in die Öffentlichkeit dringt, wird gerne das Verbraucherverhalten angeprangert. Eine perfide Methode, Schuldzuweisungen weiterzureichen. Sicher fühlen sich viele ertappt, die mal wieder beim Discounter oder im Supermarkt bei den Sonderangeboten für Grill- oder Hackfleisch zugegriffen haben. Dieses Schwarze-Peter-Spiel ist bewährt und bekannt, besonders wenn in breiterer Öffentlichkeit gegen die Qualzucht in der Massentierhaltung protestiert wird.

Und zweifelsohne ist auch etwas dran: Nicht nur Aufsichtsbehörden und Politiker haben weggeschaut, wenn es um die Arbeitsbedingungen geht, sondern eben auch die allermeisten Verbraucher. Nur: Deutschland ist der weltgrößte Exporteur für Schweinefleisch, und auf dem Weltmarkt zählt eben ausschließlich eines: der Preis. Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), hat oft verkündet, die Landwirtschaft müsse Global Player werden.

Dazu passt, dass die sogenannte Verbraucherschutzministerin Julia Klöckner, die bekanntlich auch Landwirtschaftsministerin ist und in der Regel das tut, was dem DBV genehm ist, jahrelang mit dem „Tierwohl-Label“ rumgeeiert hat – der Deutsche Tierschutzbund nannte das Label schlicht Verbraucherbetrug. Schon in der Klassifizierung – die „1“ steht für die mieseste aller Haltungsformen – wird manipuliert. Derart geblendet und von den Werbebeilagen mit Sonderangeboten geködert, ist zumindest nachvollziehbar, warum Billigfleisch noch immer großen Absatz bei den Konsumenten findet in Deutschland.

Den Preis zahlen die Tiere – und die Arbeiter in den Schlachthöfen, die schon immer ihre Gesundheit riskiert haben beim Schuften. Jetzt wird die Politik wach, denn als Corona-Hotspot werden die Schlachthöfe auch für die gesamte Bevölkerung eine Gefahr. Pastor Peter Kossen demonstrierte vor wenigen Tagen bei einer Mahnwache vor Westfleisch in Coesfeld mit dem Schild: „MODERNE SKLAVEREI BEENDEN!“. Sein Wort nicht nur in Gottes Ohr.