Anlässlich der geplanten Vergrößerung eines Masthähnchenstalles in Ringgau-Grandenborn fand am 6. August 2019 der Erörterungstermin im Regierungspräsidium in Bad Hersfeld statt.
Die AGA-Nordhessen und die BI Ringgau gegen Tierfabriken hielten am Morgen direkt vor Beginn der Anhörung mit Unterstützung der BI Twiste, BI Chattengau, Greenpeace, Albert-Schweitzer-Stiftung und weiteren UnterstützerInnen eine eindrucksvolle Mahnwache ab. Mehr als ein Dutzend TeilnehmerInnen waren dabei – eine beachtliche Anzahl für einen Dienstagmorgen im für Viele eher abgelegenen Bad Hersfeld.
Wie wichtig die Themen Agrarwende und Massentierhaltung inzwischen für die breite Öffentlichkeit sind, zeigte sich u.a. in der Anwesenheit zweier Filmteams des HR-Fernsehens sowie RTL Hessens.
Zu Beginn der Anhörung um 10 Uhr gab es zunächst eine sehr positive Nachricht: Es wurden insgesamt 126 Einwendungen gegen das Genehmigungsverfahren eingereicht. Ein weiteres Signal für das wachsende Bewusstsein über die Notwendigkeit einer zukunftsfähigen Landwirtschaft ohne industrielle Tierhaltung.
Die nächste, leider nicht ganz so angenehme Überraschung: Der Antrag, der Anlass für den Erörterungstermin war, wurde unerwartet geändert – statt den bisher angegebenen 74.000 Masthähnchen wurde der geplante Bestand auf „nur noch“ 66.000 Tiere verringert. Ein Umstand, über den die BI und ihre juristische Vertretung, extra für die Verhandlung weit angereist, im Vorfeld nicht informiert worden waren.
Der Rechtsanwalt der BI Thorsten Deppner war über diese unerwartete Entwicklung zu Recht sehr verärgert. Wenn sich der Antrag ändere und die Beteiligten des Erörterungsverfahrens nicht rechtzeitig informiert werden könnten, müsse ein solcher Termin verschoben werden. So habe man keine Möglichkeit gehabt, sich richtig vorzubereiten. Tatsächlich wurde das gesamte Gutachten des Regierungspräsidiums von Deppner und weiteren Fachleuten der AGA akribisch geprüft und der Termin ausführlich vorbereitet – doch durch die geänderte Tieranzahl sind fast alle im Vorfeld angestellten Berechnungen nun hinfällig.
Verständlicherweise regte sich über dieses unprofessionell wirkende Verhalten des RP bei den Einwendern, die zur Verhandlung gekommen waren, ein gewisser Unmut. Viele hatten extra für die Anhörung an einem Arbeitstag die teils weite Anfahrt auf sich genommen, nur um festzustellen, dass der Termin nun aufgrund nachlässiger Vorbereitung zu einem späteren Zeitpunkt wiederholt werden muss.
Für die Diskussionen der Einwendungen, die trotz allem stattfinden musste, fehlte so natürlich in vielen Fällen die Prüfungsgrundlage. Doch auch in der alten Auslegung des Gutachtens durch das Regierungspräsidium fehlten zahlreiche wesentliche Gutachtensbestandteile, so z.B. eine FFH-Verträglichkeitsprüfung. In fast allen diskutierten Punkten wurde vonseiten der BI und der AGA eine nachträgliche Prüfung oder eine Aushändigung der einschlägigen Unterlagen beantragt.
Ein sehr kritischer Punkt des Genehmigungsverfahrens ist der mangelnde Wasserschutz. Der geplante Stall liegt in einer Wasserschutzzone II, was eine eingehende wasserrechtliche Überprüfung notwendig macht. Innerhalb der Anhörung konnte vom Antragsteller nicht einmal versichert werden, dass der bereits bestehende Stall rechtsgemäß im Sinne des Wasserschutzes ist. Deppner sprach in diesem Zusammenhang von einem bisher äußerst „laxen Umgang mit rechtsverbindlichen Vorschriften“.
Kurz gesagt gibt es reihenweise Unklarheiten. Selbst ohne die genauen Zahlen beim Anhörungstermin vorliegen zu haben, bewiesen Fachanwalt und Gutachter sowie unser AGA-Fachmann ihre hohe Kompetenz und hatten starke Argumente gegen das geplante Projekt.
Jetzt heißt es erstmal abwarten. Ein weiterer Erörterungstermin wird folgen, diesmal hoffentlich mit einer vollständigen Auslegung des Gutachtenmaterials sowie einem besser funktionierenden Informationsfluss vonseiten des Regierungspräsidiums Kassel.
Übrigens: RP-Sprecher Conrad plauderte am Nachmittag vor den Kameras des HR-Teams locker über die Pannen bei der Bearbeitung des Verfahrens hinweg.