Zugegeben, man reibt sich ungläubig die Augen. Tatsächlich protestiert der Deutsche Bauernverband gegen die Landwirtschaftsministerin. Kann das wirklich sein? Wird Frau Klöckner nicht immer sogar vorgeworfen, ein verlängertes Sprachrohr des mächtigsten deutschen Lobbyistenvereins zu sein? Der Artikel der Waldeckschen Landeszeitung vom 25.9. macht jedenfalls stutzig.
Auf dem Foto über dem Artikel zu sehen sind vier Funktionäre des DBV aus dem Kreis Waldeck-Frankenberg mit einem Riesentransparent. Darauf ist zu lesen: „Danke Julia. Deine Bauern“. Um was geht es? Kritisiert werden geplante Umweltschutzmaßnahmen der GroKo, die Einschränkungen beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln vorsehen. 14.000 Hektar Grünland seien im Südkreis von Waldeck-Frankenberg betroffen. Das geht aus Sicht der Funktionäre, die noch immer auf grenzenloses Wachstum setzen, natürlich gar nicht.
Und dann hagelt es Kaskaden von Behauptungen, die man teilweise als geradezu irre bezeichnen muss. Der Geschäftsführer des Kreisbauernverbands Frankenberg Matthias Eckel raunt, trotz „einer stagnierenden Nachfrage nach Bioprodukten“ versuche das Ministerium die „Ökologisierung durchzusetzen“. Solche Phrasen klingen fast schon wie bei der AfD, wenn sie von einer Öko-Diktatur redet und zum Beispiel zur Landtagswahl in Sachsen plakatiert „Rettet den Diesel!“.
Die Kreisgeschäftsführerin aus Waldeck führt den Gedanken geschickt weiter und sagt, schon jetzt hätten Bio-Betriebe Probleme, ihr Getreide zu vermarkten. Und Kreisvorsitzender Olaf Fackiner warnt vor einem ruinösen Preiskampf der Öko-Bauern, den es zu verhindern gelte. Fast kommen einem da die Tränen der Rührung. Der DBV, Verfechter der Großbetriebe und der globalen Märkte, möchte die Ökobauern schützen. Wer hätte das gedacht.
Aber auch an anderer Stelle scheint ja das Problembewusstsein zu erwachen. Das geplante Freihandelsabkommen Mercosur, das den Freihandel mit Lateinamerika fördern soll, wird zu Recht scharf kritisiert. Dabei geht es vereinfacht um diesen Deal: Deutsche Autos und Maschinen gegen argentinisches Rindfleisch und Tierfutter. Das passt dem DBV nicht. Zurecht, denn dieses Abkommen ist ein Skandal. Aber dass deutsche Agrarprodukte umgekehrt in aller Herren Länder exportiert werden sollen, sieht man weniger als Problem.
Was Herr Eckel dann noch zu sagen hat muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen: „Was uns am meisten ärgert ist, dass nur über uns und nicht mit uns gesprochen wird“, zitiert ihn die WLZ. Auch dreimal lesen hilft nicht, er sagt tatsächlich, man würde nicht mit den Bauern reden. Das ist unterirdisch. Der Deutsche Bauernverband, die stärkste Lobby Deutschlands und der EU überhaupt (aktueller Präsident des DBV und des europäischen Dachverbandes ist Herr Rukwied), mit riesigem Einfluss auf die höchsten Subventionen innerhalb der EU, dieser Verband klagt also, dass man nicht mit ihm spricht? Für wie dumm sollen die Menschen eigentlich noch verkauft werden?
Es ist noch nicht so lange her, dass der DBV den vorherigen Landwirtschaftsminister („Glypho-Schmidt“) in die Knie gezwungen hat. Der Mann gab anschließend sein Ministeramt für einen gut dotierten Job bei der Deutschen Bahn ab, in der Politik hätte er nicht mehr überlebt. Frau Klöckner, die schon in der Haushaltsdebatte am 10. September gegenüber den Lobbyisten geradezu willfährig auftrat, die Verbraucher der Inkonsequenz bezichtigte („Das schleichende schlechte Gewissen wird meist allein bei den Bauern abgeladen“) und auch sonst alles unternimmt, um der industriellen Landwirtschaft bloß nicht weh zu tun – diese Frau Klöckner wird nun also an den Pranger gestellt, weil sie einmal nicht hundertprozentig nach der Pfeife des DBV tanzt.
Gegenüber der AGA äußerten sich zu Beginn des Jahres einige der oben zitierten Funktionäre besorgt über die gesellschaftliche Tendenz zu ökologischen Themen und fragten, wo das denn noch hinführe … Die Antwort ist eigentlich einfach: 5,5 Milliarden Euro Subventionen im Jahr sind ok. Aber bitte für Leistungen, die dieser Gesellschaft dienen und nicht dem Gewinnstreben einzelner Großbetriebe und cleverer Verbandsmitglieder. Konkreter? Bitte sehr: Tierwohl, Artenvielfalt, Landschaftspflege, Klimaschutz, Wasser und einiges mehr sind die Stichworte. Aber bitte nicht mehr Massentierhaltung und Weltmarktfantasien, denn Afrika braucht kein deutsches Milchpulver und keine Hähnchenschlachtabfälle.
Beitrag von Andreas Grede (Vorstand und Sprecher der AGA)