So wurde immer argumentiert: Plukon bringe der Stadt Gudensberg Gewerbesteuer (Foto Warlich/Montage AGA)
So zum Jahreswechsel gibt es ja überall Rückblicke. Und wenn es dazu eine aktuelle Meldung gibt, passt das um so besser. Plukon also. Und eine geplante Pipeline. An den Hähnchenschlachthof haben sich ja die allermeisten gewöhnt. Menschen aus Kassel fahren auf der A49 an dem silber glänzenden Gebäude vorbei und die meisten wissen auch nach 10 Jahren noch nicht, was da eigentlich passiert.
Ob in Fritzlar oder beim Tag der Erde, fast immer großes Erstaunen darüber, dass es überhaupt so einen Schlachthof in Nordhessen gibt. Und dann noch mit einer Kapazität bzw. Jahresleistung von fast 30 Millionen Tieren. 30.000.000, das ist eine Menge.
Dass so eine Fabrik Auswirkungen auf die Umwelt hat – und zwar keine guten – war schon klar. Aber wenn die Menschen ganz unmittelbar betroffen sind, werden sie noch hellhöriger. Als die HNA im September 2022 von einer öffentlichen Sitzung des Gudensberger Bauauschusses berichtet, titelte sie „Da schrillen die Alarmglocken“.
Es ging um Abwasser, viel Abwasser, das aus der Kläranlage des Schlachthofs direkt in den Goldbach fließt, nämlich rund 750 Kubikmeter täglich. Wie war das mit der Keimbelastung? Die Behörden schoben die Zuständigkeit untereinander hin und her, die BI Chattengau wurde schließlich zusammen mit der AGA Nordhessen aktiv und ließ dann im Herbst 2022 Abwasserproben aus dem Goldbach nehmen.
Diese waren nicht zu beanstanden, zumindest bezüglich der Beprobung auf Keime, die sich mit vertretbarem finanziellem Aufwand testen ließen. Eine gute Nachricht erstmal, wenngleich nicht sicher gesagt werden kann, dass restlos alle potentiell gefährlichen Keime beseitigt sind. Die gesetzlichen Bestimmungen sind nach Ansicht vieler Wissenschaftler nicht konsequent genug.
Nun wurde im Dezember diesen Jahre vom Gudensberger Stadtparlament mit Gegenstimmen der Grünen und eines SPD-Abgeordneten ein Gestattungsvertrag für den Bau einer Abwasserpipeline über Gemeindeland beschlossen. Die Abwasserdruckleitung führt über Gemeindeliegenschaften direkt in die Eder. Der EU-Abgeordnete Martin Häusling (Grüne) kommentierte, dass es „schlicht und ergreifend um den Verdünnungseffekt der eingeleiteten Schlachtabwässer“ ginge.
In der Debatte wurde erneut vor allem seitens der CDU betont, Plukon bringe Arbeitsplätze und Gewerbeeinnahmen. „Argumente“, die der BI Chattengau schon vor 11 Jahren regelrecht um die Ohren gehauen wurden. Denn die Stimmung war hitzig im Vorfeld des Genehmigungsverfahrens. Da wurde schon mal geschäumt, die BI-Mitglieder seien doch nur gutsituierte Lehrer, die sich halt teures Bio-Fleisch leisten könnten. Warum dieser Übereifer seitens der Stadt an den Tag gelegt wurde, scheint bis heute unklar.
Nun, gut 10 Jahre später, lässt sich im Rückblick allerdings ein „Argument“ deutlich entkräften, das seinerzeit schon von den Gegnern des Schlachthofs und vielen Bürger*innen bezweifelt wurde: Die Gewerbesteuereinnahmen. 2014 wies Plukon erstmal in der Bilanz ein Verlust von über einer Millionen Euro aus, was Gewerbesteuereinnahmen von null Euro bedeutete. In den zwei Folgejahren waren es dann Gewinne im fünfstelligen bzw. niedrigsten sechsstelligen Bereich. Dann folgten 5 Jahre mit wachsenden Verlusten laut Bilanz, 2021 gar fast 5,5 Millionen Euro.
Wie das geht? Nun Plukon ist ein europäischer Konzern mit mehreren Betriebsstätten in Deutschland. Da können Gewinne und Verluste hin und her geschoben werden. Das dürfte aber schon seinerzeit für die Ideologen der örtlichen CDU und Gesinnungsfreunden gar nicht so ausschlaggebend gewesen sein. Letztlich war es vermutlich die grundsätzliche Aversion gegen jegliches alternatives Gedankengut, also auch dem Widerstand gegen Massentierhaltung oder Klimaschützern.
Um das Steuerthema abschließend zu behandeln: Angeblich wurde Plukon auf die Misere der fehlenden Gewerbesteuer auch in der öffentlichen Wahrnehmung aufmerksam gemacht. Für das Jahr 2022 erschien dann wieder ein Gewinn von knapp 2 Millionen Euro in der Bilanz. Somit werden konservative und neoliberale Befürworter des Schlachthofs nicht mehr direkt Lügen gestraft.
Angemerkt werden muss aber doch: Ideologische Verbohrtheit findet sich offenbar weniger bei Menschen, die aus Tier- und Umweltschutzgründen eine industrielle Tierhaltung ablehnen, als bei den selbsternannten Vertretern der „normalen Leute“. (ag)