Schlechte Zeiten für die Umwelt. Die EU hat der industriellen Lobby nachgegeben, die geschickt Bauern auf die Straße gebracht hat und deren Protest vor den Wahlen äußerst ungelegen kam.
Jetzt haben es Landwirtinnen und Landwirte geschafft: Mit ihren teils rechtswidrigen und randaleartigen Protestaktionen haben sie das EU-Parlament dazu gebracht, die wichtigsten Umweltauflagen für Agrarsubventionen zu kippen. Rechten, aber auch konservativen und liberalen Kräften kommt die Entscheidung entgegen, wollten sie ohnehin statt des Green Deal einen Economic Deal.
Jutta Paulus, Grünen-Europaabgeordnete bringt es auf den Punkt: „Vor unserer Haustür brechen unsere Überlebensgrundlagen weg. Und doch wird ein notwendiges Gesetz zur Lösung der Biodiversitätskrise in Brüssel blockiert“. Umso unverständlicher, dass ihr Parteifreund und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir nicht dagegen stimmte. Özdemirs Ministerium wies auf die „ökonomischen Vorteile“ hin, die die Änderungen der Regeln für die Landwirte brächten, weshalb sogar eine Zustimmung „grundsätzlich denkbar gewesen“ wäre. Deutschland habe sich dann aber enthalten, weil die EU die Standards senke, „ohne andere Maßnahmen zu etablieren, die das gesellschaftlich gewünschte Klima-, Arten- und Umweltschutzniveau erhalten.“
Damit duckt sich auch grüne Politik vor den Krisen Klimawandel und Artensterben weg und bezieht nicht eindeutig Stellung. Dabei liegt das eigentliche Problem bei den massiven Subventionen für Agrargroßbetriebe: Nur wer viel Fläche hat, bekommt auch viel Geld. Doch die Macht der Agrarindustrie ist groß. Jetzt hat sie allen Grund zu frohlocken, denn an diesem Prinzip ändert sich nichts, während Arten- und Klimakrise weiter angeheizt werden.
„Unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus wird nun im Rekordtempo und ohne Folgenabschätzung die Axt an jahrelang mühsam erkämpfte Umweltstandards der GAP gelegt“, so der Europaabgeordnete Martin Häusling (Grüne). Greenpeace ruft sogar den Umweltnotstand in Europa aus: “Schließlich wurde die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) in Sachen Umweltschutz innerhalb kürzester Zeit und ohne echte demokratische Debatte völlig entkräftet“. Denn Fakt ist, dass die Landwirtschaft maßgeblich zum Aussterben von immer mehr Tier- und Pflanzenarten beiträgt. Sie hat etwa in Deutschland rund die Hälfte der Landfläche unter Beschlag. Ackerbrachen könnten Rückzugsräume beispielsweise für Insekten und Vögel sein.
Die Vorgabe, dass Bauern pro Hektar gezahlten Subventionen mindestens 4 Prozent ihrer Ackerfläche für diese wichtigen Brachen, Hecken oder Baumreihen reservieren müssen, fällt nun einfach weg. Nach dem Beschluss des EU-Rates müssen auch die Regeln für die Fruchtfolge sowie das Verbot, klimarelevantes Dauergrünland in Wiesen und Weiden umzubrechen, sowie der Schutz vor Erosion aufgeweicht. Dabei müsste auch dem Bauernverband, der die aktuellen Beschlüsse begrüßt, bekannt sein, dass auf fruchtbaren Böden nichts mehr wächst, wenn sie einmal erodiert sind. Auf Höfen mit höchstens 10 Hektar Agrarfläche sollen die Behörden gar nicht mehr kontrollieren, ob die Umweltvorschriften eingehalten werden – das sind immerhin 65 Prozent aller Betriebe mit einer Fläche so groß wie das gesamte Agrarland Deutschlands.
Durch den Einsatz von Pestiziden und die Zerstörung von natürlichem Lebensraum trägt die Landwirtschaft erheblich zum Artensterben bei. Um dem entgegen zu wirken, hatte sich die EU-Kommission die verstärkte Förderung der ökologischen Landwirtschaft auf die Fahnen geschrieben. Deutschland liegt aktuell mit lediglich 11 Prozent nur knapp über dem EU-Durchschnitt. Die ökologisch wirtschaftenden Betriebe werden Naturwiederherstellung und Biodiversiät nicht alleine schultern können. Der Wegfall entscheidender Umweltauflagen wird in der konventionellen Landwirtschaft zu vermehrtem Pestizideinsatz und weiterem Artensterben führen.
Der Naturschutzbund hatte vor der Entscheidung in Brüssel ein Klares Nein Deutschlands gefordert. Wenn Bauern jährlich weiterhin allein in Deutschland 6 Milliarden Euro aus dem Agrarbudget erhalten, müssten sie auch etwas für die Umwelt tun. Vor allem da viele Betriebe in den vergangenen Jahren gute Gewinne eingefahren hätten.
Bleibt zu fürchten, dass nach der Europawahl am 9.Juni ein rechtskonservatives Bündnis entsteht, dass den europäischen Green Deal gänzlich abschaffen will. EVP Spitzenkandidatin und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat eine solche Koalition nicht ausgeschlossen.
Das Fazit am Tag der Biodiversität am 22. Mai liefert in diesem Jahr keinen Grund zur Hoffnung. Dabei geht es ja nicht nur darum Schmetterlinge und Bienen zu retten, was immer noch gerne an ökologischer Politik belächelt wird, sondern schlicht um die Erhaltung der Lebensgrundlage für uns, unsere Kinder und Enkel. (JL)
Quellen
https://taz.de/Agrarsubventionen-fuer-Bauern/!6007450/
https://www.martin-haeusling.eu/images/Martin_Häusling_Newsletter_Mai_2024.pdf
https://www.fr.de/meinung/gastbeitraege/der-schutz-der-vielfalt-kann-nicht-warten-93077176.html
https://www.arte.tv/de/videos/115800-000-A/green-deal-evp-auf-kreuzzug-gegen-eu-umweltplaene/