EU-Gesetz für entwaldungsfreie Lieferketten – ein historischer Beschluss mit Schwächen

Das EU Parlament und die Mitgliedsstaaten stimmten am 19. April für ein Gesetz zum Schutz des Regenwaldes. Mit der Bekämpfung der importierten Entwaldung übernimmt die EU endlich globale Verantwortung für den Erhalt der Wälder und Biodiversität.

Zukünftig dürfen in der EU nur noch Produkte hergestellt oder vertrieben werden, die nicht mit Abholzung oder Schädigung von Wäldern im Zusammenhang stehen. Darunter fallen Soja, Palmöl, Rindfleisch, Kaffee, Kakao, Holz, Holzkohle, Kautschuk und Druckerzeugnisse. Die neuen Vorschriften gelten auch für Waren, die diese Rohstoffe enthalten, mit ihnen gefüttert oder aus ihnen hergestellt wurden (wie Leder, Schokolade und Möbel). Zudem müssen die Produkte bis zum Ort der Herstellung zurückverfolgbar sein, um Manipulationen am Anfang der Lieferkette zu verhindern.

Mit der längst überfälligen Verordnung will man dem Artenschwund und Klimawandel entgegenwirken. „Wir müssen verstehen, dass der Schaden der Entwaldung weit über den Verlust von Bäumen hinausgeht“, sagte der EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius. Die europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher wissen bis heute häufig nicht, dass viele Erzeugnisse in den Supermarktregalen allzu oft mit abgebrannten Regenwäldern, der Zerstörung wertvoller Ökosysteme und der Vernichtung der Lebensgrundlage indigener Völker in Verbindung stehen.

Nach Einschätzungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) wurden zwischen 1990 und 2020 insgesamt 420 Millionen Hektar Wald gerodet und in landwirtschaftlich genutzte Fläche umgewandelt. Für rund 10 Prozent dieser Verluste trägt allein die EU die Verantwortung, mehr als zwei Drittel davon entfallen auf Soja und Palmöl. Laut vorläufiger Außenhandelsstatistik wurden 2022 mehr als 3,4 Millionen Tonnen Sojabohnen importiert, größtenteils aus Brasilien und den USA. Der seit Jahren weltweit steigende Fleischkonsum treibt auch den Bedarf an Futtermitteln in die Höhe. In der industriellen Tierhaltung ist Soja ein wichtiger Proteinlieferant. Mehr als 80 Prozent der Ernte landet in den Futtertrögen, der internationale Handel hat sich seit 2001 nahezu verfünffacht.

Bei der Abstimmung im EU-Parlament gab es eine große Geschlossenheit. Die neuen Vorschriften wurden mit 552 zu 44 Stimmen bei 43 Enthaltungen angenommen. Dass ein nicht unerheblicher Teil der CDU -und CSU-Parlamentarier gegen dieses Gesetz gestimmt oder sich enthalten hat, darf in Zeiten des Klimawandels für Verwunderung sorgen.

Nun bedarf es noch einer förmlichen Billigung vom Europarat. Schon 20 Tage später tritt die Verordnung in Kraft – für einzelne Teile gibt es eine Übergangsfrist von 18 Monaten, für Kleinst- und Kleinunternehmen soll sie nach 24 Monaten gelten. Kontrolliert wird unter anderem mithilfe von Satellitenaufnahmen, globalen Positionsdaten und Genanalysen der Waren und Rohstoffe. Verstöße werden mit Geldstrafen geahndet, mindestens vier Prozent des europäischen Jahresumsatzes eines Unternehmens.

Schon jetzt gibt es Kritik und dringenden Nachbesserungsbedarf, denn lediglich Primär- und Sekundärwälder sollen geschützt werden, nicht aber andere für die Biodiversität und den Klimaschutz unerlässliche Biotope wie Savannen oder Moore. Zudem sind nicht alle Produkte und Bereiche enthalten, die als „Entwaldungstreiber“ zu bewerten sind. Mais fehlt ebenso wie Bergbau. Darüberhinaus ist die Finanzbranche nicht eingebunden. Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament und Mitglied im Umweltausschuss erklärt, dass Banken nach wie vor schmutzige Geschäfte mitfinanzieren können, weil die Regelung noch nicht für Finanzinstitute gelte. Auf Druck der Industrielobby gab es auch Abstriche bei den geforderten Landbesitzrechten der Indigenen.

Die Kommission soll nun innerhalb von zwei Jahren eine Studie zur Rolle von Finanzinstituten bei der Zerstörung von Wäldern und zu Lücken in der EU-Gesetzgebung vorlegen. „Das Europäische Parlament werde darauf drängen, dass es dabei nicht bei einer bloßen Analyse bleibt, sondern konkrete Sorgfaltspflichten für Finanzinstitute folgen“, versicherte die EU-Parlamentarierin Delara Burkhardt (SPD).

Zunächst kommt es auf eine lückenlose Umsetzung des Gesetzes an. Wichtig ist auch die Einstufung in Gebiete mit hohem, mittlerem und niedrigem Risiko. Für die Klassifizierung müssen objektive Kriterien gelten und keinesfalls darf die Kommission dem Lobbydruck der Hochrisikoländer, wie Brasilien und Indonesien nachgeben. Die Rechte indigener Völker, Kleinbauern und Kleinbäuerinnen müssen bei der Umsetzung berücksichtigt, der Finanzsektor eingebunden, andere Ökosysteme und weitere Rohstoffe wie Mais müssen aufgenommen werden.

Martin Häusling betont: „Trotz der Schwächen der Verordnung ist es dennoch ein großer Schritt vorwärts. Die Möglichkeit der Nachbesserung in den nächsten zwei Jahren müssen aber genutzt werden, um die Wälder weltweit wirkungsvoll zu schützen.“ (mk)

https://www.presseportal.de/pm/106967/5489681

https://www.martin-haeusling.eu/presse-medien/pressemitteilungen/2983-abstimmung-ueber-lieferkettengesetz-positiver-ansatz-um-entwaldung-aufzuhalten.html