Die Abwässer des Geflügelschlachthofes sollen ab April über eine Pipeline von der betriebseigenen Kläranlage in die Eder geleitet werden. (Foto Jörg Warlich)
Ein Gastbeitrag von Dr. Markus Schimmelpfennig*
Wie der örtlichen Presse vor kurzem zu entnehmen war, wird der Plukon-Geflügel-Schlachthof sein Abwasser (immerhin 750 Kubikmeter am Tag) künftig nicht mehr in den Gudensberger Goldbach einleiten, sondern eine Pipeline bis zur Eder bauen. Das deckt sich mit den Wünschen der Gemeinde Gudensberg, denn der Goldbach ist im Sommer eher trocken und außerdem für das Programm „100 wilde Bäche“ gemeldet, das die Wiederherstellung naturnaher Lebensräume fördern soll.
„Alles prima“ könnte man denken. Eitel Freude also?
Ich sehe das kritisch! Na klar kann man sich freuen, wenn eine lokale Abwasserbelastung wegfällt, auch hat die Eder einen viel größeren Volumenstrom, aber letztlich handelt es sich eher um eine kosmetische Maßnahme am Ende eines fragwürdigen Gesamtprozesses, an dem sich durch die Pipeline nichts ändert.
Denn betrachten wir den Gesamtprozess vom Produzenten bis auf den Teller des Verbrauchers („From Farm to Fork“, wie es so schön heißt), sehen wir: „Es bliebet (fast) alles biem Ahlen!“
Fakt ist und bleibt: Plukon ist ein industrieller Großschlachthof, der am Ende einer gesundheitsgefährdenden und unethischen Produktionskette von Geflügelfleisch steht!
Denn das darf bei der Freude oder Erleichterung, die man ja über die Pipeline durchaus empfinden kann, keinesfalls vergessen werden: Industrielle Tiermast mit bis zu mehreren Zehntausend Tieren in einem Stall ist artwidrig, fügt den Tieren großes Leid zu und gefährdet nicht nur ihre, sondern auch die Gesundheit der Menschen: Hohe Tierdichte bedeutet hohen Infektionsdruck, bedeutet einen kritischen Einsatz von Antibiotika, in der Folge multiresistente Keime und Antibiotikarückstände, die in die Umwelt gelangen (Wasser, Luft und Boden) und so die Volksgesundheit gefährden! Auf die zum System gehörigen fragwürdigen Tiertransporte über weite Strecken kann ich an dieser Stelle nicht eingehen.
Ehe jetzt der Verdacht geäußert wird, ich sei ein Feind der Landwirtschaft: Das bin ich definitiv nicht! Mir braucht niemand beizubringen, dass die Landwirtschaft eine tragende Säule jeder funktionierenden Gesellschaft ist, übrigens sehr im Gegensatz zu vielen gehypten „Firlefanzereien“, die häufig im medialen Rampenlicht stehen.
Der Punkt ist jedoch: Wie schaffen wir bessere Rahmenbedingungen, die dem /der Landwirt/-in ermöglichen, bei einem gesicherten Einkommen Produktions- und Zuchtmethoden anzuwenden, die einer artgerechten Haltung und Aufzucht entsprechen und damit die Grundlage für die Gesundheit von Mensch und Tier legen? Solange das Tiefkühl-Hähnchen im Supermarkt 3.99 € kostet, aber der Coffee to go 5,90 €, und das in der Politik wie beim Verbraucher als „normal“ gilt, haben wir für die Agrarwende noch einige Steine aus dem Weg zu räumen.
Die Einleitung von vorgeklärtem Schachthofabwasser, ob in den Goldbach oder in die Eder, ist da eher ein Randproblem! Wir müssen das Tier als leidensfähiges Mitgeschöpf sehen und nicht als „Produktionsfaktor“!
Auch muss gelten: Klasse statt Masse! Beides ist ein Beitrag zum Schutz der Volksgesundheit!
*Dr. Markus Schimmelpfennig ist Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen und war bis 2020 stellvertretender Leiter des Gesundheitsamtes Region Kassel